Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
befand er sich gerade in diesem Moment auf einer Exkursion, die genau diesen Zwecken diente. Venezianische Späher, die in kleinen, wendigen Segelbooten die Küsten zwischen Korfu und Kreta angesteuert hatten, berichteten von einem größeren türkischen Flottenverband, der sich vor Modon und Koron zusammengezogen hatte. Es war zu vermuten, dass Bayezid vorhatte, sich ihnen anzuschließen, um einen Sturmangriff auf venezianische Flottenteile oder die Belagerung eines Stützpunkts zu leiten. Ganz sicher fand der Sultan diese Beschäftigung ersprießlicher, als in Konstantinopel auf einen venezianischen Gesandten zu warten, der kaum Verhandlungsspielraum mitbrachte. Warum nicht lieber selbst die Städte einnehmen, die Venedig ihm hätte anbieten können, und warum nicht gleich ein paar mehr?
Dem Steuermann war es gelungen, das Schiff beizudrehen, bis der Bugspriet in einer Linie mit den Rammen der Angreifer lag. Auch die übrigen Schiffe des venezianischen Verbandes hatten eine günstigere Position einnehmen können, um so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. An Backbord und Steuerbord klatschten die Ruder rhythmisch ins Wasser, begleitet vom Dröhnen der Galeerentrommeln und den weit übers Wasser hallenden Befehlen des Rudermeisters. Der Wind rauschte in der Takelage und füllte langsam das große Lateinersegel am Hauptmast und die beiden Viereckssegel am Heck. Die langen, zweigeteilten Fahnen mit dem goldenen Markuslöwen flatterten weit oben von den Mastspitzen, während an Deck in fieberhafter Hast die Lafetten postiert und die Geschütze bereitgemacht wurden.
»Das bringt nichts mehr«, stellte Ercole fest. »Zum Verschwinden reicht die Zeit nicht.«
Er warf den Holzteller in hohem Bogen über Bord und lief zum Geschützmeister, um beim Laden der Rohre zu helfen. Die Soldaten an Bord legten hastig Helm, Harnisch, Gliederschutz und Schwertgurt an, und jeder, der laufen und kämpfen konnte, machte sich bereit für die Schlacht.
Die gegnerischen Galeeren hatten beigedreht, ihr Kommandant hatte somit die Absicht, die venezianischen Schiffe zu rammen, fürs Erste aufgegeben. Jetzt richteten sich eine Reihe tödlich blinkender Kanonen auf sie.
»An die Geschütze, alles klar zum Gefecht!«, schrie der Kapitän vom Kommandostand neben dem Hauptmast.
Das türkische Flaggschiff setzte zuerst einen Schuss ab, aber die Kanonenkugel fiel mindestens hundert Schritt voraus wirkungslos ins Wasser. Doch der Konvoi kam rasch näher, und der nächste Schuss war besser gezielt. Am benachbarten Schiff flog der obere Teil des Bugmastes in tausend Stücke.
Seeschlachten verliefen immer nach demselben Muster: Zuerst wurde geschossen, und was danach noch oberhalb der Wasserlinie schwamm, wurde geentert, und erst wenn der letzte Schwertstreich geführt war, stand der Sieger fest. Da in diesem Fall die Osmanen doppelt so viele Schiffe und dementsprechend mehr Männer in den Kampf führten, war der Ausgang der Schlacht abzusehen, auch wenn alle Venezianer bis an die Zähne bewaffnet waren. Im Grunde ging es nur noch darum, möglichst ehrenhaft zu sterben. Jeder wusste, was die Türken mit ihren Gefangenen machten.
Lorenzo sah in ohnmächtiger Wut zu, wie die Osmanen aus allen Rohren feuerten. Die Venezianer luden ihre Deckskanonen, so schnell sie konnten, und verschossen wacker eine Kugel nach der anderen, doch nur eines der türkischen Schiffe wurde so schwer getroffen, dass es am Kampfgeschehen nicht mehr teilnehmen konnte.
Der venezianische Verband dagegen wurde im Geschützhagel des türkischen Geschwaders rasch aufgerieben. Zwei Schiffe sanken innerhalb weniger Minuten, während ein drittes in Flammen aufging. Dicker schwarzer Rauch wehte in großen Wolken herüber, und in den Schlachtenlärm mischten sich die Schreie der Männer, die über Bord gegangen waren.
Ihre eigene Galeere war schon zweimal getroffen worden, einmal mittschiffs dicht unterhalb der Reling und einmal am Heck, wo es das Dach von den Aufbauten weggefegt hatte. Die gezackten geborstenen Planken stachen wie dunkle Mahnmale inmitten des Qualms in die Luft.
Durch den Rauch, der sich überall ausgebreitet hatte, hetzten Matrosen und Soldaten hin und her, um Brandherde zu löschen und die umgefallenen Geschütze aufzurichten, während andere ihre verwundeten Kameraden in Deckung schleppten.
Dann waren die türkischen Schiffe plötzlich auf Schrittweite herangekommen, Rumpf trieb gegen Rumpf, und Enterhaken wurden über das Dollbord geworfen.
Weitere Kostenlose Bücher