Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
und er redet im Schlaf. Das hast du mir selbst erzählt.«
»Das war nur einmal, als er bei dieser langweiligen Totenwache eingeschlafen war!« Maddalena dachte kurz nach. »Ich muss es auch gar nicht beichten. Schließlich ist es ja nicht meine Sünde, oder?« Stirnrunzelnd beleuchtete sie das Problem genauer. »Oder meinst du, Mitwisser eines Mordes zu sein wird dann zu einer Sünde, wenn man den Täter nicht anzeigt?«
»Das spielt keine Rolle. Versteh doch, dieses Wissen würde dich nur unnötig in Gefahr bringen! Möchtest du eines Morgens tot und kalt im Rio di Lorenzo schwimmen, nur weil du zufällig zu viel weißt?«
»Ich weiß es sowieso. Wer außer deiner kranken, merkwürdigen Schwiegermutter könnte das fertigbringen?« Mit schroffen Bewegungen warf Maddalena die sterblichen Überreste der Maus mitsamt den vergifteten Kuchenstücken in einen Sack, den sie sorgsam verknotete.
Sanchia reichte ihr einen Krug Essig, damit sie sich die Hände abreiben konnte. Der scharfe Geruch erfüllte die Küche und mischte sich mit dem Duft der Kräuter, die Sanchia heute Morgen auf dem Herd verbrannt hatte.
Sie nahm den Sack und stopfte ihn in das Abfallfass. Der Hausdiener würde es spätestens morgen in eines der Sammelboote ausleeren, die durch das Netz der Kanäle kreuzten und Unrat in die offene Lagune transportierten.
Für den heutigen Tag hatte sie dem Diener freigegeben, ebenso der Köchin. Die beiden hatten gemeinsam mit Sanchia zu Ehren der Toten an der Seelenmesse teilgenommen und waren anschließend wortlos verschwunden. Aurelia hatte ihnen nicht viel bedeutet; die Köchin hatte sich oft genug mit ihr gezankt und ihr vorgehalten, sie sei ein verwöhntes, schnippisches Ding, mit verruchten Gedanken und eitlen Bedürfnissen.
In Wahrheit war die kleine Französin einfach nur jung und lebenshungrig gewesen, und trotz ihrer schwierigen Vergangenheit hatte sie nie ihr Lachen und ihre Munterkeit verloren. Sie hatte davon geträumt, ihre große Liebe noch kennen zu lernen, und ihr Mörder hatte ihr diese Möglichkeit genommen. Er hatte das Leben einer fröhlichen jungen Frau ausgelöscht, die fast noch ein Kind gewesen war.
»Du kannst ihr das nicht durchgehen lassen«, sagte Maddalena drängend.
»Ich weiß«, murmelte Sanchia.
»Irgendetwas musst du tun! Du kannst es nicht einfach für dich behalten und gar nichts unternehmen!«
»Das habe ich auch nicht vor. Ich werde auf jeden Fall mit ihr selbst sprechen, und danach sehe ich dann weiter.«
»Und wenn sie alles abstreitet?« Maddalena stellte den Essigkrug mit einem Knall auf die Anrichte zurück. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sie es zugibt und vielleicht sogar Reue zeigt!«
»Das werde ich erst wissen, wenn ich mit ihr gesprochen habe.«
»Du könntest eine Anklage in die Bocca di Leone stecken.«
»Mach dich nicht lächerlich.«
»Du hast Recht, das hat keinen Zweck. Am Ende wirst du noch dabei erwischt und selbst eingesperrt, weil niemand dir glaubt.« Maddalena furchte grübelnd die Stirn. »Hast du mit Eleonora gesprochen? Deine Schwiegermutter ist doch ihre Tante, oder?«
»Ich dachte schon daran, aber Eleonora hat im Moment genug anderes zu tun.«
Eleonora musste für sich, Sarpi, Agostino und all die vielen Diener, die sie seit kurzem zu ihrem Haushalt zählte, ein neues Zuhause einrichten. Der gewaltige Prachtbau, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte und wo zuletzt ihr greiser Großvater mit seinen Sklavinnen Hof gehalten hatte, musste neu gestaltet und mit Möbeln nach ihrem Geschmack ausgestattet werden, und Sarpi brauchte Arbeitsräume, wo er praktizieren konnte, wann immer ihm der Sinn danach stand. Und nicht zu vergessen die Küche – die sollte ein ganz besonderes Reich werden, mit mehreren Kochstellen und einem Zugang zu einem Kühlkeller sowie einem Kräuter- und Gemüsegarten und mit einem großen Fenster, damit sich keine Kochgerüche stauen konnten. Jedes Mal, wenn Sanchia Eleonora in den letzten Wochen aufgesucht hatte, war diese gerade bis über die Ellbogen in Umbau- und Einrichtungsplänen vergraben. Bei ihrer letzten Unterredung hatte sie sogar verlauten lassen, sie fühle sich bereit für ein weiteres Kind. Unter diesen Umständen hielt Sanchia sie als Mitwisserin ohnehin für eher ungeeignet.
Sie hatte auch überlegt, Lorenzo über die Tauben eine Nachricht zu schicken und ihn um Rat zu bitten. Die beiden Vögel waren am Vortag aus dem Ionischen Meer zurückgekehrt, ohne besondere Neuigkeiten. Auf dem
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