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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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vergessen, und die meiste Zeit gelingt es mir auch.« Sie lachte ein wenig gequält. »Außer an Tagen wie diesem.«
    »Solche Tage gibt es«, stimmte Pasquale zu.
    »Das beste Mittel ist, ihr aus dem Weg zu gehen, zumal sie anscheinend keine Mordpläne mehr gegen mich schmiedet.«
    »Bist du sicher?«
    »Sicher ist nur der Tod«, gab sie trocken zurück. Sie zögerte. »Ich habe mir auch schon Gedanken darüber gemacht, aber in den letzten Jahren gab es keine Zwischenfälle mehr. Frag mich nicht nach den Gründen, ich kenne sie nicht.«
    »Angst«, sagte Pasquale.
    »Was meinst du?«
    Er schüttelte den Kopf. »War nur so ein Gedanke. Meist ist es ganz einfach Angst, die Menschen von skrupellosen Taten abhält. Angst vor Strafe, Angst vor Entdeckung, Angst vor Verlusten.«
    »Das ist klug gedacht«, sagte Sanchia. »Allerdings darf dann die Angst nicht zu groß sein. Wenn der Betreffende sich in die Enge getrieben fühlt und keinen Ausweg mehr sieht, nimmt er auch auf seine Ängste keine Rücksicht mehr.«
    Pasquale starrte sie an und nickte langsam. »Ein empfindliches Gleichgewicht – vermutlich kommt es allein darauf an. Gebe Gott, dass es erhalten bleibt.«
    Pasquale verbot ihr, an dem Trauerzug teilzunehmen. »Wenn du unbedingt musst, kannst du morgen zur Seelenmesse kommen, das reicht völlig. Wäre er noch da, würde er dir dasselbe sagen.« Er duldete keine Widerrede, sondern verfrachtete sie eigenhändig zurück auf das Segelboot, mit dem sie hergekommen war, und erteilte dem Bootsführer Anweisung, sie auf dem schnellsten Wege heimzubringen.
    »Du hättest gar nicht erst herkommen dürfen. Solche Anstrengungen musst du in Zukunft vermeiden!« Er stand auf dem Steg, das Holzbein leicht weggespreizt und immer noch blass und erschöpft von den Anstrengungen des Tages. Der Wind zerzauste sein dunkles Haar und wehte ihm einzelne Strähnen vor die Augen. Ganz stabil war seine Haltung noch nicht, vermutlich würde er im Laufe der Nacht während der Totenwache einen ziemlichen Brummschädel bekommen.
    »Du weißt es?«, fragte sie.
    Er lächelte ein wenig schief. »Eleonora hat es mir erzählt. Gratuliere.«
    »Ich hätte es dir schon noch gesagt«, meinte sie entschuldigend.
    »Sie meinte, dass sie es dir auch erst aus der Nase ziehen musste.«
    Der Bootsmann legte ab und rollte die Leine ein.
    Pasquale hob die Hand. »Pass auf dich auf, hörst du!«
    Sie winkte ihm zu, während das Boot Fahrt aufnahm. Die Sonne senkte sich bereits über den Häuserreihen entlang der Kanäle und der Küste von Murano, und es war ein frischer Wind aufgekommen, der das Segel prall aufblähte und das Boot rasch nach Venedig zurücktrieb.
    Dennoch blieb ihr genug Zeit, ihren düsteren Gedanken nachzuhängen.
    Es ließ sich nicht wegleugnen: Sie war die Cousine ihres eigenen Mannes. Sie hätte ihn natürlich dessen ungeachtet heiraten können – und es auch getan –, doch dazu hätte sie eines kirchlichen Dispenses bedurft, da es sich um eine Verwandtenehe vierten Grades handelte. Die damit zusammenhängenden Fragen waren allerdings rein akademisch, da sie außer mit Pasquale mit niemandem mehr darüber reden würde, schon gar nicht mit Lorenzo. Es reichte, wenn sie deswegen unglücklich war. Ändern ließ sich ohnehin nichts mehr, und darüber zu sprechen würde in jedem Fall bedeuten, das empfindliche Gleichgewicht, das Pasquale vorhin erwähnt hatte, zu stören. Möglicherweise sogar so sehr, dass es unberechenbare Konsequenzen nach sich zog. Unternehmen konnte sie rein gar nichts, denn es gab weder Beweise noch Zeugen für die mörderischen Intrigen der Vergangenheit.
    Bei dem Gedanken, dass der gelähmte alte Mann, der oben in der Dachkammer der Ca’ Caloprini vor sich hin dämmerte, ihr eigener Großvater war, empfand sie eine Anwandlung von Widerwillen. War das wirklich ihre Familie, waren dies die Wurzeln ihrer Herkunft? Der bettnässende Alte, die verrückte Caterina, deren verschlossener Gatte, der ständig grinsende Sklave, der weit gereiste, undurchsichtige Onkel, der eigentlich ihr Vater war – die ganze Geschichte hatte mit einem Mal Dimensionen angenommen, die alle Fantasien zu sprengen drohten. Die Borgia waren eine Grauen erregende Sippe, doch die Caloprini konnten fast mit ihnen Schritt halten. Hinter jeder Ecke schienen Tod, Verderben und Verschwörungen zu lauern. Nur mit dem Unterschied, dass sie diesmal selbst mittendrin steckte.
    Als das Boot an der Fondamenta vor dem kleinen Palazzo anlegte, sandte die

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