Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
gab, wusste sie, dass alles glattgegangen war.
Das Kind war rosig und wohlgestaltet, ein perfektes kleines Bündel Mensch. Sanchia barst beinahe vor Stolz und mütterlicher Euphorie. Hatte sie sich wirklich vorher einen Sohn gewünscht? Warum eigentlich? Nichts konnte diesem herrlichen kleinen Wesen gleichkommen! Sie fühlte sich von einer Liebe durchströmt, die ebenso unermesslich wie kompromisslos war, und sie wusste instinktiv, dass sie niemals in ihrem Leben eine stärkere und innigere Bindung erfahren würde als diese.
Während Maddalena sie wusch und ihren Körper anschließend in ein frisches Hemd und saubere Laken hüllte, wuchs in ihr der Wunsch, ihr überschäumendes Glück mit dem Menschen zu teilen, dem sie es verdankte.
»Wo ist Lorenzo?«, fragte sie aufgeräumt. »Nachdem er mich heute ständig zum falschen Zeitpunkt aufgesucht hat, sollte er doch nun nicht den richtigen verpassen!«
Eleonora bot sich an, ihn holen zu gehen, kehrte aber kurz darauf allein und mit verärgerter Miene wieder zurück.
»Ich fürchte, er und Fausto sind nicht in der Lage, noch aufrecht zu gehen. Sie liegen sturzbetrunken im Portego in den Sesseln und schlafen.« Sie hielt inne und lächelte. »Aber jemand anderer würde gern das neue Mitglied der Familie begrüßen.«
Sie zog einen bleichen Marco hinter sich hervor und schob ihn ins Zimmer. »Er hat die ganze Zeit brav in seinem Zimmer gewartet, aber als es dann so still wurde, wollte er doch wissen, was los ist.«
Sanchia sah seinem Gesicht an, dass er Angst gehabt hatte, und sofort bemächtigte sich ihrer das schlechte Gewissen, weil sich während der ganzen Zeit niemand um ihn gekümmert hatte.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Normalerweise hätte ich mein Versprechen gehalten, aber …«
»Welches Versprechen?«, fragte er verständnislos.
»Nach dir zu sehen, bevor du einschläfst. Aber mir kam etwas dazwischen.«
Ein Grübchen bildete sich in seiner rechten Wange, als er grinste. »Ich hatte ja noch nicht geschlafen. Es ging gar nicht.«
»Ich war wohl laut, oder?«
»Sehr laut.« Er grinste breiter, und Farbe stieg in seine Wangen. Seine Erleichterung darüber, sie wohlauf anzutreffen, war so offenkundig, dass Sanchia fast den Fels zu sehen glaubte, der ihm von der Seele rollte.
»Ist … Ist das da dein Kind?«, fragte er ein wenig furchtsam, bemüht, nicht allzu aufdringlich auf das weiße Bündel zu schielen, das sie im Arm hielt.
»Meine kleine Tochter«, bestätigte sie. Liebevoll fügte sie hinzu: »Komm her und sieh sie dir an.«
Zaghaft kam er näher und blieb steif neben dem Bett stehen. »Sie ist … klein.« Seinen zweifelnden Blicken war zu entnehmen, dass sie seiner Ansicht nach zu klein war.
»Das ist schon in Ordnung.« Sanchia blinzelte ihm zu. »Wenn Kinder auf die Welt kommen, sind sie immer so klein.«
Er stieß den Atem aus. »Dann ist es ja gut.« Er runzelte die Stirn und betrachtete das Kind genauer. »Sie hat blonde Haare. Genau wie du.«
»Das haben wir schon festgestellt«, lächelte Sanchia.
»Wie ist ihr Name?«
»Chiara.« Diesen Namen hatten sie und Lorenzo für den äußerst unwahrscheinlichen Fall gewählt, dass das Kind wider Erwarten ein Mädchen sein würde.
»Sie ist … schön.« Er blickte Sanchia an und wirkte plötzlich, als sei er selbst überrascht von seinen Worten. Nachdenklich innehaltend, streckte er die Hand aus, zog sie aber sofort wieder zurück.
»Du kannst sie ruhig berühren, wenn du vorsichtig bist.«
Unendlich behutsam, als würde er den Flaum eines eben geschlüpften Kükens streicheln, fuhr er mit dem Finger über die Wange des Babys, mit einem so herzzerreißend sehnsüchtigen Ausdruck im Gesicht, dass es Sanchia Tränen in die Augen trieb.
»Ich glaube, die kleine Chiara hat soeben ihren ersten Verehrer gefunden«, sagte Eleonora vergnügt.
Marco versteckte hastig seine Hand hinter dem Rücken. »Säuglinge schreien den ganzen Tag, und schlecht riechen tun sie auch«, sagte er mit geröteten Wangen.
»Dieser Säugling bestimmt nicht«, warf Maddalena launig ein. »Ich kenne seine Mutter. Sie wird dafür sorgen, dass es weder Grund zum Schreien noch zum Stinken gibt.«
Als wollte das Baby sie Lügen strafen, stieß es genau in diesem Moment einen krächzenden Schrei aus, der gleich darauf in ein unzufriedenes, durch suchendes Schmatzen unterbrochenes Greinen überging.
»Ich wollte es nicht beleidigen!«, stammelte Marco.
Sanchia lachte. »Es ist dir nicht böse, es will nur
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