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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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setzte wie angekündigt der Pressdrang ein.
    Sanchia half Albiera beim Beseitigen der Spuren, welche die nachfolgenden Wehen hinterließen. Bei fast jeder Presswehe gingen Schleim, Blut und auch Kot ab.
    »Es ist nicht selbstverständlich, dass immer ausreichend saubere Unterlagen zur Verfügung stehen«, sagte Albiera einmal beim Wechseln der Laken. »Es ist aber ratsam, als Hebamme darauf zu achten, denn je reinlicher die Umgebung während der Geburt gehalten wird, desto weniger Komplikationen treten in der Folgezeit für Mutter und Kind auf.«
    Bei der nächsten Untersuchung schüttelte sie den Kopf. »Es geht schlecht voran.«
    Die Gebärende war bleich und verschwitzt; das Haar hing ihr in nassen Strähnen um das Gesicht. Seit sie bei den Wehen pressen durfte, schrie sie nicht mehr, sondern stöhnte und ächzte nur noch.
    Albiera wies sie an, sich auf das Bett zu knien und vornüber mit den Händen abzustützen. In dieser Stellung presste Constanza anschließend weiter, während Albiera hinter ihr stand und sie mit Kommandos, fester zu pressen, anfeuerte und gleichzeitig das Dammgewebe der jungen Frau massierte. Am Ende befahl sie ihr, den Drang mit Hecheln zu unterdrücken, und Sanchia sah mit weit aufgerissenen Augen zu, wie das dunkle, runde Köpfchen hervortrat. Bei der nächsten Wehe glitt es ein Stück weiter heraus, bis es schließlich vollständig zu sehen war. Danach hörte die Wehe auf, und Albiera redete Constanza gut zu, sich weder zu bewegen noch zu pressen. Wenige Augenblicke später setzte erneut der Schmerz bei der Gebärenden ein, der Leib krampfte sich ein letztes Mal hart zusammen, und Albiera drehte geschickt das Kind ein wenig um die eigene Achse. Die kleinen Schultern rutschten heraus, zuerst die eine, dann die andere, und dann mit einem einzigen Gleiten der übrige Körper.
    Constanza schrie triumphierend auf, und Albiera stimmte in den Schrei ein.
    Auch Sanchia hätte um ein Haar laut gejubelt, weil der Augenblick so dramatisch und unvergleichlich war. Das Kind dort liegen zu sehen, quäkend und zappelnd, war so zu Herzen gehend, dass sie am liebsten geweint hätte. Doch ihre Augen blieben trocken.
    Ihre Lippen zitterten, während sie die Äbtissin gegen ihren Willen anstrahlte, als diese sie lachend fragte, ob es ihr gefallen hätte.
    Sie sah konzentriert zu, als die Nachgeburt kam und Albiera den neugeborenen kleinen Jungen abnabelte. Sie half der Äbtissin beim Waschen der jungen Mutter und beim Wickeln des Babys. Als Mutter und Kind anschließend in glücklicher Eintracht beisammenlagen und auch der – leicht angetrunkene – frischgebackene Vater sich dazugesellt hatte, verließ sie gemeinsam mit der Nonne das übel riechende Mietshaus. Es wurde bereits dunkel, und Albiera griff nach Sanchias Hand, als sie über die Brücke gingen, die über den Rio di Lorenzo führte.
    Sanchia wusste nicht, ob es angemessen war, dass die Ehrwürdige Mutter sie bei der Hand hielt, als wäre sie ihr Kind, doch wenn sie in sich hineinhorchte, fand sie, dass es sich richtig anfühlte.
    »Sanchia, ich danke dir, dass du mich begleitet hast. Willst du beim nächsten Mal wieder mit mir kommen und auch andere Kranke im Sestiere mit mir zusammen besuchen? Möchtest du abermals das Wunder einer Geburt erleben und bei mir lernen, den Frauen beizustehen? Vorhin bei Constanza habe ich es einfach so gesagt, aber jetzt frage ich dich, ob es auch dein Wille ist.«
    Sanchia nickte, ohne zu zögern.
    Am nächsten Morgen ging sie zum ersten Mal ins Scriptorium.
    Lorenzo hockte schon seit einer Stunde auf dem Dach, wo er müßig die Tauben betrachtete. Als er heraufgekommen war, hatte er den Schlag gesäubert, den Wasserbehälter aufgefüllt und Futter ausgestreut. Jetzt saßen die Vögel aufgeplustert und gurrend auf ihren Stangen.
    Eine Zeit lang hatte er die Tiere nicht gefüttert, damit sie ins Kloster flogen, wo Eleonora sie versorgte. Rufio hatte ihm geraten, es so zu versuchen. Tauben, so sagte er, könnten zwei Schläge anfliegen, einen Heimatschlag und einen vertrauten Futterplatz. Man müsse ihnen nur klare Unterscheidungsmerkmale geben. Folglich hatten die Vögel für ein paar Wochen nur im Kloster Futter erhalten, um den dortigen Standort als Anflugstelle zu akzeptieren. Inzwischen waren sie auf die Route trainiert und fraßen in beiden Schlägen, hier wie dort. Sie flogen die Strecke binnen weniger Augenblicke und fanden stets sicher ihr Ziel, sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. Als

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