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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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brach ein. Die drei Menschen stürzten mit ihrer kleinen intakten Insel senkrecht in das Stockwerk darunter. Silena gelang es sogar, das Gleichgewicht zu bewahren und sich im Gegensatz zu dem Russen und der Französin auf den Beinen zu halten.
    Vor den Fenstern sahen sie den riesigen Leib des Drachen, und der erste Kopf beugte sich mit gleißend gelben Augen zu ihnen hinab.
    »Ein Wunder!«, freute sich Silena und küsste ihren intensiv leuchtenden Anhänger. »Hab Dank, Heiliger Georg.« Sie packte Sàtra grob am Arm und zerrte sie in die Höhe. »Raus hier. In den Keller«, befahl sie. »Auf ein zweites Wunder möchte ich nicht hoffen.«
    »Wunder?«, erwiderte Sàtra irritiert. »Das waren meine Geister, Großmeisterin. Sie haben uns vor dem Angriff bewahrt, nicht Ihre Heiligen.«
    »Vielleicht war ich es auch, die Damen?«, warf Zadornov ein und rannte auf die Treppe zu, die nach unten führte, während der Drache vor dem Eingang tobte. Schwere Schläge liefen durch das Haus, an verschiedenen Stellen stürzte die Vertäfelung herab.
    Sie rannten die Stufen nach unten.
    »Sie sind ein Hellseher, Fürst, oder? Kein Medium«, sagte Sàtra beinahe abwertend. »Wir können das gerne wiederholen, wenn Sie…«
    Über ihnen erklang ein lautes Krachen. Die Treppen über ihnen zerbrachen, die Mittelstrebe erhielt zu viele Risse, als dass sie den Druck aushalten konnte. Bis nach unten waren es aber noch einige Meter, die sie unter diesen Umständen nicht bewältigen würden.
    »Ihr Geister!«, rief Sàtra laut und legte die Arme gegen den berstenden Stein. »Helft mir! Gebt mir eure Kraft und kittet den Stein, damit ich fliehen kann!«
    Silena traute ihren Augen kaum, als sie fingerdicke, schwarze und weiße Fäden aus den Augen und den Händen der Frau schießen sah, die in den Stein flossen und die auftuenden Lücken schlossen. »Das ist … Hexerei!«, stammelte sie und wäre beim Rückwärtsgehen um ein Haar gestrauchelt und gestürzt.
    »Unsinn.« Sàtra löste die Hände und hastete an ihr vorüber. »Es sind die Mächte der Geister, die ihrer Freundin einen Gefallen tun. Mehr nicht.«
    Zadornov folgte ihr und fragte, als er und Silena sich auf gleicher Höhe befanden: »Kommen Sie, oder wollen Sie warten, bis die Kräfte nachlassen, Großmeisterin?«
    Sie wartete nicht.

19. Januar 1925, Edinburgh, Provinz Schottland, Königreich Großbritannien
     
    Onslow Skelton richtete den Oberkörper auf. Asche und Trümmer fielen zu Boden, und er verstand nicht, warum er noch lebte.
    Um ihn herum brannte es; der Rauch ließ seine Augen tränen, und von der Aktentasche war nichts weiter als der Griff geblieben, den er noch immer umklammerte. Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war ein auf ihn zufliegender Schrank, der ihn getroffen und mit sich gerissen hatte.
    Blut lief aus seiner Nase, der Kopf schmerzte, und er fühlte sich, als sei er von einem Stier auf die Hörner genommen worden. Ein vergleichsweise geringer Preis für sein Leben.
    »Fürst?«, rief er krächzend. »Madame Sàtra?«
    Keine Antwort.
    Die Hitze und die beißenden Schwaden nahmen zu, eine Suche kam nicht in Frage. Stöhnend erhob er sich und kroch auf allen vieren durch den Rauch auf den Ausgang zu. Zwei Türen weiter gelangte er auf einen Wehrgang, wo ihn erfrischend klare, kühle Luft erwartete. Gierig sog er den Sauerstoff ein, zog sich an einer Zinne nach oben und musste schrecklich husten. Die Lunge wollte das Gift loswerden, und sein Verstand arbeitete mit jedem Atemzug besser.
    Er hörte die Sirenen, die Warnungen über die Dächer schrien, und hob den Kopf.
    Neben ihm schlugen dichte Rauchwolken aus sämtlichen Stockwerken des Schlosses, und als er sich umwandte und in den Hof schaute, sah er, dass der Drache vor seinem Abschied sämtliche Gebäude mit seinem Feuer bedacht hatte. Die Flammen schlugen aus Dächern, Luken und Fenstern, vereinzelt torkelten Menschen über den Hof. Leichen, verstümmelte und nicht verstümmelte, lagen umher.
    »Welch eine Tragödie«, murmelte er und drehte sich zur Stadt um.
    Der Anblick erschütterte ihn umso mehr: Edinburgh brannte!
    Der schwarze Drache zog im Tiefflug über die Häuser der Altstadt, die fünf Mäuler spien Schatten aus und ließen das, was sie trafen, in Flammen aufgehen. Kein Scheinwerferstrahl bekam das Ungeheuer zu fassen – wozu auch? Nichts würde es bezwingen können, die Kugeln richteten gegen die Schuppen nichts aus. Die Einzige, die mit ihrem Flugzeug in den Krieg hätte ziehen

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