Die Mächte des Feuers
Hundred, wie sich die Einheit unter der Führung ihres Bruders nannte.
In jedes Abteil, das sie passierte, schrie sie: »Fertig machen!« Und die Drachenjäger legten die Rüstungen aus Drachenschuppen an, hängten die Helme an den Gürtel und kümmerten sich um die Ausrüstung in den beiden Wagons im Mittelteil des Zuges. Noch hatte Ramachander nicht entschieden, welche Taktik gegen den Fünfender zum Einsatz kommen sollte.
Die Drachenjäger lachten und riefen durcheinander, jeder bewegte sich auf den zugewiesenen Posten. Spannung lag in der Luft, denn sie alle setzten bei diesem Unternehmen ihr Leben aufs Spiel.
Leida hatte mittlerweile den letzten der acht Wagons erreicht, wo die Hand voll Zivilisten reisten, die nichts mit den Drachenjägern zu tun hatten.
Die vierte Tür auf dem Gang gehörte zu Mandrakes Kabine. Einen Meter weiter stand ein kleiner rothaariger Junge und hielt seinen Teddy an sich gepresst. Er zitterte am ganzen Körper, anscheinend war er durch den Lärm geweckt worden und hatte nachschauen wollen, was vor sich ging.
Leida hielt an und ging in die Hocke. »Na, mein Kleiner? Los, zurück in dein Bett, bevor deine Mama und dein Papa dich vermissen«, sagte sie ruhig.
Der Junge starrte sie ängstlich an, wich vor ihr zurück und hielt den Stoffbären umklammert.
Sie verzog den Mund und strich die blonden Haarsträhnen, die durch das Laufen zur Seite geweht worden waren, über ihre entstellte linke Gesichtshälfte. Sie liebte Kinder, aber das Andenken des Drachen auf ihren Zügen sorgte dafür, dass Mädchen und Jungen gleichermaßen vor ihr flüchteten. Noch ein Grund, die Geschuppten zu vernichten.
Eine Tür im hinteren Teil des Wagons öffnete sich. »Andrew?« Eine Frau im Nachthemd erschien und rief verschlafen nach ihrem Sohn. »Komm zurück ins Bett. Wir fahren sicher gleich weiter…« Sie bemerkte den Feuerschein und erschrak, dann sah sie zu Leida.
»Gehen Sie in Ihre Kabine, Lady«, ordnete die Drachenjägerin mit der Schroffheit an, die man von ihr anhand ihres Äußeren erwartete, hob die Hand und deutete auf die Tür. »Bewahren Sie Ruhe. Sie können sowieso nichts ausrichten.«
Die Frau nickte, nahm ihren Sohn und schob ihn in das Abteil zurück. Andrew drehte sich, kurz bevor sich die Tür hinter ihm schloss, noch einmal zu ihr um, und sie salutierte mit einem Lächeln vor ihm. Aus dieser Bewegung heraus hämmerte sie gegen Mandrakes Tür. »Sir? Kommen Sie aus den Federn! Der Fünfender hat Edinburgh abgefackelt.«
Das Schloss wurde gedreht, der Agent zeigte sich. »Abgefackelt?« Eris trug eine beige Stoffhose, schwarze Schuhe, ein weißes Hemd und einen beigefarbenen Mantel darüber. »Was meinen Sie damit?«
»Abgefackelt eben. Die Stadt brennt.«
Auf den Gang tretend, zog er die Tür hinter sich zu und setzte einen schwarzen Hut auf. »Dann muss ihn etwas aus der Reserve gelockt haben. Meine Quellen sagten mir, dass er sich vorerst damit begnüge, die Stadt zu beobachten.«
»Kann sein, dass die Großmeisterin ihn provoziert hat«, meinte Leida mit einer gewissen Schadenfreude. Wenn sich ihre Vermutung erst mal bewahrheitete, so trug einer der allseits angehimmelten und bewunderten Drachentöter die Schuld am Untergang Edinburghs. Und am Tod Tausender Unschuldiger. Sie setzte sich in Bewegung. »Folgen Sie mir. Mein Bruder möchte mit Ihnen beratschlagen, was wir jetzt unternehmen sollen.«
Eris knöpfte den Mantel zu und zog die Handschuhe über. »Welche Großmeisterin meinen Sie?«
»Großmeisterin Silena. Wir haben das Luftschiff gesehen, mit dem sie reist«, erklärte sie und öffnete die Tür. Ein kalter Wind empfing sie.
Sie liefen über die Stege der beiden offenen Wagons, auf denen die Ausrüstung lagerte. Die Männer waren damit beschäftigt, die Planen im Schein von Lampen abzuräumen und das einsatzbereit zu machen, was bis eben geschlummert hatte.
Eris sah jede Menge Ketten in verschiedenen Stärken, gebogene Eisen, die übergroßen Fleischerhaken ähnelten, zwei Geschütze, wie man sie im Weltkrieg in den Stellungskämpfen eingesetzt hatte, enorme Harpunen mit Widerhaken. Es sah aus wie ein einziges Durcheinander. Dazu gesellten sich zahlreiche Transportboxen aus Stahl und Holz, und eine verströmte aus einem Spalt einen bestialischen Gestank nach verwesendem Fleisch. Er schielte durch die Öffnung und erkannte in der Dunkelheit Gliedmaßen. Menschliche Arme und ganze Beine, die verfaulend und madenüberzogen darin lagen. Eris würgte
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