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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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beiläufig und streckte die Hand nach einem der ochsenkopfgroßen Eier aus. Es konnte sich von der Größe her nicht um einen Drachenstein handeln, aber dennoch wollte sie die Objekte aus der Nähe betrachten.
    Im Dunkel der Höhle leuchteten unvermittelt faustgroße, glutrote Augen auf, Dampf quoll in einer Wolke hervor, und ein Drachenkopf schoss brüllend und mit geöffnetem Maul auf Silena zu; Sàtra schrie auf, und Zadornov sprang nach vorn, um ihr beizustehen.
    Silena handelte instinktiv. Sie wich zur Seite aus, zog dabei ihr Schwert und führte es mit beiden Händen kraftvoll gegen das linke Auge. Waagrecht stieß sie zu und bohrte die Klinge bis zum Heft hinein.
    Funken sprühten aus dem Auge, die Stimme des Scheusals klang unvermittelt blechern, und das Leuchten im Auge erstarb; es stank verschmort, und beißender Qualm drang aus der Höhle.
    »Nein!« MacMoore schrie nach Angestellten und Sandeimern, um den Schwelbrand zu löschen. »Das war unser künstlicher Drache, Father Nessie, Großmeisterin!«
    Silena zog das Schwert aus dem Auge, ein paar Drähte folgten der Schneide und baumelten aus dem Kopf heraus. »Oh«, erwiderte sie. »Das ist mir wirklich unangenehm. Sehen Sie es als Kompliment, dass Father Nessie sehr echt ausgesehen hat.«
    Zadornov lachte und tippte mit dem Stock gegen die Schnauze. »Respekt, Sir Allan. Woraus ist der gemacht?«
    »Geformtes und gefärbtes Zelluloid. Wenn wir Pech haben, brennt er uns ab.« MacMoore spornte die herbeieilenden Bediensteten mit schottischen Flüchen an. Sie sprangen in das Nest und die Höhle, schütteten den Sand hinein, während ein anderer an eine verdeckte elektrische Schalttafel trat und einige Knöpfe drehte. Ohne Strom tat Father Nessie gar nichts mehr.
    »Ohne Ihnen Vorwürfe machen zu wollen, Sir, aber Sie hätten ihn abstellen können«, warf Skelton ein und trat hinter der Vitrine vor, hinter der er sich versteckt hatte. Er öffnete seine Aktentasche und nahm eine Mappe hervor, schlug sie auf und blätterte. »Im Übrigen ist mir diese Maschine nicht gemeldet worden, wie ich meinen Unterlagen entnehme. Der Schaden ist demnach nicht versichert.« Mit Schwung klappte er sie zu. »Jedenfalls nicht bei Hamsbridge & Coopers.«
    Da erklang eine Sirene aus weiter Entfernung.
    »Fliegeralarm?« MacMoore eilte ans Fenster. »Das kommt vom Wachturm auf Calton Hill. Sie haben die Scheinwerfer…« Er wich zurück. »Ein Drache! Ein großer Flugdrache mit fünf Köpfen zieht über die Stadt!«
    Immer mehr Sirenen fielen in die Warnung ein. Das Heulen wurde allgegenwärtig und schreckte die Menschen Edinburghs aus dem Schlaf.
    Silena rannte ans Fenster und erkannte, dass Suchscheinwerfer auf den Hügeln um die Stadt herum erwachten und ihren gebündelten Strahl über den Himmel wandern ließen. Gelegentlich streiften sie den Körper eines schwarzen Drachen, der sich für die Bedienmannschaften aber viel zu schnell bewegte. Er entkam immer wieder in die Dunkelheit und wurde zu einem bedrohlichen Schatten, der sich dem Schloss rasend näherte. Silena meinte, das gelbe Glühen seiner Augen zu erkennen.
    »Was will er hier?«, fragte sie sich halblaut. »Gibt es in der Ausstellung einen Drachenstein zu holen?« Sie warf einen Blick über die Schulter, um nach ihren Begleitern zu sehen.
    Skelton suchte bereits nach einem Versteck, Sàtra und Zadornov redeten leise miteinander. Sie vernahm lediglich einige Worte der Französin, wie ›Seance‹, ›mein Leben … will mich…‹, bis die Spiritistin die Hände vors Gesicht schlug und ohnmächtig zu werden drohte. Der Russe stützte sie, und auch die Diener sprangen ihr bei.
    Hatte es der Drache doch auf den Hellseher und die Spiritistin abgesehen? Als sie sich nach vorn wandte, befand sich der schwarze Drache in einem rasanten Sturzflug. Er schoss über einen Friedhof am Fuß des Schlosses hinweg und zog abrupt nach oben. Jetzt öffneten sich zwei der Mäuler, und ein zweifacher, lauter Schrei erklang.
    Im gleichen Augenblick schossen die Kanonen auf der Festung und entluden sich donnernd. Selbst wenn der Fünfender getroffen worden wäre, hätte es ihm so gar nichts ausgemacht.
    »In Deckung!«, schrie Silena warnend. Sie warf sich auf den Boden und presste sich unter dem Fenster dicht an die Wand.
    Ein Geräusch wie von einem wütenden, kräftigen Sturm erklang, und alle Scheiben zerbarsten, während eine schwarze Wolke in den Ausstellungsraum hineinrollte und die Vernichtung brachte. Sie verdeckte Silenas Sicht

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