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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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zwei freie Plätze.
    Silena ließ sich behutsam nieder, atmete langsam aus und schloss die Augen.
    Grigorij betrachtete sie und ärgerte sich, dass im Abteil weitere Menschen saßen. Auf diese Weise war eine Unterredung über den Weltenstein, seine Drachenvision und das, was ihnen bevorstand, unmöglich.
    Er nahm sein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn, lächelte in die Runde der Mitreisenden und blickte aus dem Fenster in die Bahnhofshalle.
    Auf dem Bahnsteig gellten Trillerpfeifen, die Lok antwortete doppelt so laut, und gleich darauf erklang das Stampfen der Antriebswellen, welche die Räder in Bewegung setzten. Mit einem sanften Ruck begann ihre Fahrt. Gesichter trieben am Glas vorbei, Grigorij sah wütende Menschen, die versuchten, über die Absperrung zu klettern und auf den Zug zu springen; andere dagegen lieferten sich eine Rangelei mit den Polizisten. Zwischen den fremden Gesichtern der Männer und Frauen tauchte unvermittelt ein bekanntes auf. Grigorij richtete sich stocksteif im Sitz auf, er glaubte, Eris Mandrake in der Menge ausgemacht zu haben. Ihre Blicke trafen sich, doch Mandrake erkannte den Russen nicht. Woher auch?
    Dann veränderten sich die Augen, leuchteten gelb auf, und im nächsten Moment bekam die Scheibe unzählige Risse; der Bahnhof verschwand dahinter.
    »Huch!«, rief eine der Damen erschrocken.
    »So was«, grummelte ein Gentleman und schüttelte den Kopf. »Jetzt wirft das Pack tatsächlich schon mit Steinen nach der Bahn.«
    Silena hatte die Augen beim ersten Knistern des Glases geöffnet und sah zu Grigorij.
    Er zuckte langsam mit den Achseln. »Keine Ahnung, Großmeisterin«, sagte er dann. »Vielleicht hat der Rahmen zu viel Spannung aufgebaut, und das Material ist durch die Erschütterung geborsten.« Er wollte sie durch seine Beobachtung nicht verunsichern, zumal er sich nicht sicher war, dass Mandrake wirklich am Bahnhof gewesen war. Es hätte ebenso gut eine Nachwirkung seiner Vision sein können. Er legte ihr eine Hand auf den Arm.
    »Schlafen Sie ein wenig. Bis München haben Sie noch Zeit dazu.«
    Sie nickte müde. »Das wird mir gut tun, Fürst.« Ihre Lider senkten sich, und sofort döste sie ein. Das monotone Rattern der Waggonräder und die gleich bleibenden Geräusche der Lok entführten sie ins Reich der Träume.

24. Januar 1925, Avranches (Normandie), Königreich Frankreich
     
    Silena wischte den Regentropfen vom linken Glas ihrer Fliegerbrille und beobachtete den düsteren Abendhimmel, der sich über dem Meer zusammenzog. Er hatte das Land fast erreicht.
    Sie lehnte sich nach hinten, um Grigorij auf sich aufmerksam zu machen. »Da vorn ist der Mont-Saint-Michel«, rief sie, um die Fluggeräusche zu übertönen. Das Motorenknattern der Macchi und das Rauschen des Windes mischten sich zu einem Dröhnen, und die Fliegerkappen über den Ohren machten die Verständigung nicht besser.
    Sie drückte die Maschine nach unten und hielt im Tiefflug auf das Ziel ihrer Reise zu. Unter den schwarzen Wolken zuckten Blitze nieder und küssten die Wellen, graue Schleier hingen bis auf die Erde. Als besäße die See nicht genügend Wasser, schütteten die Wolken unaufhörlich ihre feuchte Fracht aus.
    Das Unwetter hielt geradewegs auf den Berg zu, der sich vor der Küste erhob. Befestigungsanlagen stemmten sich gegen die aufgewühlten Wogen und ließen sie daran explodieren, ohne dass sie Schaden an den Mauern anrichteten. Ein kleines Dorf schmiegte sich Schutz suchend hinter den Wällen an den Fels, und über den Dächern thronte eine gewaltige Kathedrale, deren Fenster von innen hell erstrahlten. Ein Leuchtfeuer des Glaubens. Sie umrundeten es einmal und bestaunten die Anlage von oben.
    »Ein Wunder«, brüllte Grigorij und wandte die Augen nicht ab. Auch er spürte erste Regentropfen. »Ein echtes Wunder der Baukunst.«
    Eine Böe erfasste die Maschine und brachte die Macchi ins Schlingern. Die auf Geschwindigkeit ausgelegte Maschine war nicht für schlechte Wetterbedingungen konstruiert worden. Silena fing sie geschickt ab und setzte das Flugzeug gekonnt in den Luftstrom, ließ sich von ihm tragen, anstatt dagegen aufzubegehren. Als sie das Festland erreichte, sah sie nach rechts und links unter sich und suchte eine Landemöglichkeit. Es gab Felder, Salzwiesen und nicht weit von ihnen eine kleine Stadt mit einer Zitadelle sowie einer mittelalterlich anmutenden Mauer drum herum. Vermutlich Avranches. »Sehen Sie eine ebene Weide oder eine gute Straße,

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