Die Mächte des Feuers
bin, der nicht zu nass wird.« Er sah auf Silena. »Nehmen Sie es als Strafe, Großmeisterin.«
Grigorij hob die Augenbrauen und holte tief Luft, um zu einer Erwiderung anzusetzen.
Silena musste lachen, während ihr der Regen über die Fliegerkappe lief und ihre Lippen benetzte. »Sie sind herrlich, Monsieur Farou. Französisch unautoritär«, meinte sie heiter und ging die Straße entlang auf die Stadt zu. »Ich lade Sie herzlich zu einem guten Wein ein.«
Er stutzte. »Womit habe ich das denn verdient?«
»Das frage ich mich allerdings auch«, murmelte Grigorij und schaute missgelaunt in die Wolken.
»Sie sind einer der wenigen Menschen, die mich als eine ganz normale Person betrachten. Ich mag das sehr.« Silena grinste.
»Ja, als was denn sonst? Der König sind Sie nicht, von daher…«, gab Farou zurück und grinste ebenfalls. »Also, was ist nun? Ist ein Drache bei uns gesichtet worden?«
»Nein, noch nicht«, entschlüpfte es Grigorij.
»Das würde mich auch sehr wundern. Es gab niemals Drachen bei uns.« Farou ging neben ihnen her und hielt den Schirm so, dass Silenas Kopf geschützt war; sie bedankte sich mit einem Lächeln.
»Oh, Monsieur, in Frankreich gibt es…«, setzte sie zur Verbesserung an.
»Ah, ah, Großmeisterin. Ich meinte damit Avranches und die Umgebung.« Er zwinkerte. »Aber verraten Sie es nicht weiter, sonst bekommen wir zu viele Ausländer ins Land, die in Ruhe bei uns leben wollen. Das mögen wir hier überhaupt nicht.«
Grigorij beugte sich an ihr Ohr. »Ein unmöglicher Bauer, oder? Keine Manieren. Und das in Frankreich, wo König Charles der Unerreichte einen Hofstaat…«
»Sie wissen, dass es unhöflich ist zu flüstern, Fürst?«, unterbrach sie ihn neckend.
»Ich vergelte Gleiches mit Gleichem«, gab er zurück und richtete sich auf.
Das Unwetter war an Land gegangen und rumorte über ihnen. Die Blitze zuckten unaufhörlich auf Avranches und den Mont-Saint-Michel nieder, als wollten sie die Orte auslöschen. Aus dem eiskalten Regen wurde Hagel; Körner von der Größe eines Augapfels prasselten auf den Boden und zerstörten bald sogar den Schirm.
»Da hinüber«, meinte Farou und zeigte auf eine Feldkapelle am Wegesrand. »Ich möchte nicht erschlagen werden, nachdem ich die Attacke Ihres Flugzeugs überlebt habe.«
Sie erreichten den rettenden Unterstand und beobachteten das ungewöhnlich heftige Gewitter.
»Keinen einzigen Drachen, Monsieur?«, nahm Silena das Gespräch wieder auf. »Nicht einmal einen kleinen?«
»Nein, Großmeisterin. Es gab keine Sichtungen mehr seit Errichtung der Abtei auf dem Mont-Saint-Michel.« Farou fing etwas von dem Wasser, das vom Dach herunterlief, mit der hohlen Hand auf und trank davon. »Es ist eine heilige Stätte, und diese gesegnete Aura können die Teufel auf den Tod nicht ausstehen.«
»Oh, mein lieber Monsieur Farou! Ist Ihnen nicht zu Ohren gekommen, dass Drachen durchaus schon einmal Kirchendächer abgedeckt haben, weil ihnen das Blattgold so gut gefiel?«, meinte Grigorij und schüttelte sich. Niemals käme es ihm in den Sinn, Regenwasser zu trinken. Vor allem nicht, wenn es von einem dreckigen Dach rann. »Sie schlagen ihre Klauen in alles.«
»Außer bei uns. Es gibt kein vergleichbares Bauwerk wie unseren Mont-Saint-Michel, Monsieur. Diese Einzigartigkeit macht es aus, glauben Sie mir. Ich wette, dass es niemals Drachen bei uns geben wird«, er deutete hinaus in die Bucht, »solange die Kathedrale steht und wir die herrlichen Glocken hören dürfen.«
Der Hagel ließ nach, aus dem Regen wurde wieder ein leichtes Nieseln, und die drei brachen zur letzten Etappe nach Avranches auf.
Sie schritten durch ein Stadttor, das sehr alt aussah, und Silena war endgültig davon überzeugt, es hier mit einem mittelalterlichen Ursprung zu tun zu haben. Die Bewohner hatten sich in ihre Häuser verkrochen; die Kamine rauchten und verbreiteten den allgegenwärtigen Geruch von Feuer, der Wärme und ein Essen versprach. Sie gingen eine ganze Weile.
»Haben Sie eine Unterkunft?« Farou war vor einer Herberge stehen geblieben, die sich Nupieds nannte. »Falls nicht, wäre diese hier gut. Kostet nicht viel, aber sie machen ein gutes Essen und haben saubere Betten. Und sie haben süffigen Wein.«
Silena musste schon wieder lachen. Die letzte Bemerkung war ganz sicher auf sie gemünzt gewesen. »Dann, Monsieur Farou, gehen Sie doch…«
Ein lauter Hilfeschrei ließ sie zusammenzucken.
»Das kommt aus Saint Gervais!« Farou rannte
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