Die Mächte des Feuers
Fürst?«, rief sie.
»Machen wir denn keinen zweiten Überflug über den Mont?«
»Es wird zu gefährlich. Der Sturm ist zu nahe. Wir werden landen und den Rest zu Fuß oder mit einem Automobil zurücklegen müssen«, gab sie laut zurück. Sie hatte eine Wiese entdeckt, die ihr geeignet erschien. »Wir gehen runter, Fürst. Halten Sie sich fest, es wird sicherlich ruckeln.« Silena drosselte das Gas und schob die Nase der Macchi nach unten.
Es ging recht rasant abwärts. Zehn Meter über dem Boden fing sie die Maschine ab und legte sie waagrecht, verringerte den Schub und ließ die Räder den Boden berühren. Das Flugzeug schüttelte sich, hopste und bockte wie ein wildes Pferd.
Da tauchte der Entwässerungsgraben quer vor ihnen auf.
»Achtung, Großmeisterin!«, schrie Grigorij und biss sich durch das Hüpfen auf die Zunge.
Zum Durchstarten war es zu spät, die Geschwindigkeit würde fürs Abheben nicht mehr reichen, also drosch sie die Macchi hart in die Kurve und folgte dem Graben, anstelle sich das Fahrgestell abzureißen.
»Eine Brücke, eine Brücke!«, rief der Fürst aufgeregt und zog den Kopf ein.
»Nur die Ruhe. Ich weiß, was ich tue.« Bevor der Graben unter einer Brücke verschwand, zog Silena nach rechts und vermied eine Kollision. Dadurch gelangte sie auf die Straße, die nach Avranches führte – und ausgerechnet in diesem Augenblick kamen ihnen zwei helle Lichter entgegen, und ein lautes, hektisches Hupen ertönte.
»Verflucht!«, schrie sie und lenkte rechts an den Lampen vorbei. Ein schwarzer Schatten, ein Laster, huschte haarscharf an der Tragfläche vorüber, geriet ins Schleudern und touchierte das herumschwenkende Leitwerk der Macchi.
Es gab einen Schlag, knallend riss ein Ruderseil; dann stand das Flugzeug, der Motor erstarb, und der Propeller blieb nach ein paar Umdrehungen stehen.
Silena stöhnte und hielt sich die Seite. Das Korsett, das sie trug, um die Verletzung zu entlasten, hatte nicht verhindern können, dass die empfindliche Wunde durch die ruppige Landung litt.
»Geht es Ihnen gut, Großmeisterin?« Grigorij stand auf und sah nach ihr.
»Alles in Ordnung«, wiegelte sie ab und stemmte sich aus der Kanzel, um nach dem Lastwagen zu sehen. Er war mit der einen Seite in den Graben gerutscht und würde aus eigener Kraft nicht mehr entkommen.
»Landen Sie immer so?«, grinste er sie an und sprang auf die Erde, mitten in tiefen Schlamm. Die Spritzer flogen ihm bis in den Schritt.
»Schauen Sie nach, wie es den Insassen des Lasters geht, Fürst«, bat sie und kletterte behutsam aus der Macchi.
Wie gut, dass sie eine ältere Maschine genommen hatte. Die Beschädigung eines Kampfflugzeugs wäre wesentlich schlimmer gewesen. Im Vorbeigehen sah sie auf den Schaden und seufzte. Sie benötigte Ersatzteile, um das Flugzeug zu reparieren, und in einem Nest wie Avranches Passendes zu finden, war ein Ding der Unmöglichkeit.
Ein Mann um die vierzig sprang aus dem Führerhaus. Er trug eine Mütze und einen langen, offenen olivgrünen Mantel aus Segeltuch, Stiefel und Knickerbocker, darüber ein braunes Hemd. Sein Gesicht zierte ein dunkelbrauner Schnurr- und Kinnbart; fuchtelnd kam er auf den Russen zu. Dass es sich bei ihm den Kleidern nach eindeutig um einen Menschen von Rang handelte, störte den Franzosen nicht. »Sie werden mir alle Schäden bezahlen, Monsieur, haben wir uns verstanden?« Er schaute an Grigorij vorbei. »Aha, Madame. Guten Abend, schön, dass Sie unsere Straße als Landebahn benutzen.« Er deutete auf Avranches. »Vielleicht wollen Sie noch bis zu Ihrem Hotel rollen, was?« Er schob den Fürsten zur Seite und stapfte auf Silena zu. »Haben Sie eine Ahnung, wie teuer so ein Lastwagen ist?« Er blieb stehen, schaute auf ihre Uniform. »Auch das noch«, schimpfte er. »Haben wir irgendwo einen von den Teufeln in unserer Gegend?«
»Das Officium wird Sie entschädigen, Monsieur…?«
»Mein Name ist Farou, Großmeisterin.« Er beruhigte sich etwas und kratzte sich an der Stirn. »Verzeihen Sie mir meinen Ausbruch, aber es ist eben schon ärgerlich. Außerdem müssen wir jetzt alle drei zu Fuß nach Avranches. Bei diesem Wetter!« Aus dem Nieseln war ein Gewitterregen geworden. Er rannte zurück, kletterte in den Wagen und kehrte mit einem Schirm zurück. »Wenigstens habe ich den.«
»Sehr aufmerksam von Ihnen, Monsieur.« Grigorij streckte die Hand danach aus.
Aber Farou dachte nicht daran, den Schirm zu teilen. »Nein, ich habe es lieber, wenn ich derjenige
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