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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Soll die Droschke langsamer fahren, damit sie nicht so wackelt und Ihre Wunde…«
    Sie winkte ab. »Nein, das könnte ich schon selbst. Mir wurde ein Loch in der Seite und nicht der Mund vernäht.« Silena reichte ihm das Papier. »Dieses Blatt wurde von einem Mann berührt, der unser Gegenspieler ist oder zumindest nicht auf unserer Seite steht.«
    Grigorij nahm es entgegen. »Ja?«
    »Ich hoffte, dass Sie es anfassen würden, ohne Ihre Handschuhe, um mit Ihren hellseherischen Möglichkeiten herauszufinden, wo er sich befindet und was er gerade unternimmt?« Sie lächelte verlegen.
    »Wieso höre ich von diesem Mann zum ersten Mal?« Dann verstand er. »Ach, Mister Geheimdienst hatte seine Finger darauf?«
    »Sie kombinieren schnell, Fürst.«
    »Täte ich es nicht, wäre ich schon mehrmals getötet worden, Großmeisterin.« Er betrachtete das Blatt von beiden Seiten. »Schwierig. Ich weiß nicht, durch wie viele Hände es bereits gegangen ist. Mit Pech verfolge ich einen unschuldigen Fabrikarbeiter bei seinem«, er sah hinaus, »Abendessen. Oder seinen ehelichen Pflichten im Bett mit seiner Frau. Oder seiner Nachbarin. Oder mit ihr und…«
    »Versuchen Sie es einfach, Fürst, ja?«, kürzte Silena die Aufzählung ab. »Ich habe die Befürchtung, dass er uns voraus ist.«
    Bedächtig zog Grigorij den linken Handschuh aus. »Ich möchte es versuchen.« Er grinste sie an. »Die Verlockung ist zudem zu groß. Da Sie das Blatt ebenfalls angefasst haben, stehen die Chancen gut, dass ich ein wenig mehr über Sie herausfinde. Abseits von dem, was Sie berichtet haben.«
    Daran hatte Silena zu spät gedacht. So blieb ihr die Hoffnung, dass der Fürst nichts allzu Persönliches herausfand.
    Die Droschke hielt vor dem Innsbrucker Bahnhof.
    »Bis gleich, Großmeisterin.« Grigorij legte das Blatt auf die Sitzbank und legte die ungeschützte Hand flach darauf.

XVII.
     
    »Unbeschreiblich! Einfach unbeschreiblich! Ich dachte zuerst, es sei ein Scherz, als nur dieser eine Großmeister auftauchte. Ich hatte den kalbgroßen blauen Drachen im Stall eingesperrt, wo er sich mit Fauchen und Grollen gegen die Wände warf. Der Gro ß meister bat mich, einen Schritt zur Seite zu treten, dann zog er sein Schwert, öffnete die Tür und ging hinein. Es dauerte keine fünf Minuten, und er kehrte zurück. Er hat dem Drachen – das stellen Sie sich mal vor – den Bauch aufgeschlitzt. Einfach so, als wäre es eine Haussau und kein Monstrum, das mir alle Schweine aufgefressen hat.«
     
    Hubert Huberti , Bauer aus der Serie ›Drachentöterinnen und Drachentöter im Verlauf der Jahrhunderte‹
     
    Im ›Münchner Tagesherold‹, Königlich-Bayerisches Hofblatt vom 1. Juni 1924

22. Januar 1925, Innsbruck (Zisleithanien), Kaiserreich Österreich-Ungarn
     
    Zuerst geschah gar nichts.
    Es gab zu viele Eindrücke, Grigorij musste seine Gedanken fokussieren, um überhaupt eine Spur zu finden. Das Papier barg zu viele Erkenntnisse. Plötzlich sah er die fast nackte Silena in einem einfachen Raum, in dem sich ein Bett und ein Schrank befanden. Die Klappläden vor den Fenstern waren fast ganz geschlossen, Licht fiel durch den Spalt und die Lamellen herein. Dem Anschein nach saß er ihr gegenüber auf einem Stuhl.
    Umspielt von gebrochenem, weichem Licht stellte sie erst das rechte, dann das linke Bein auf die Kante und legte Strümpfe an, die sie liebevoll mit einem Band an den Oberschenkeln fixierte. Unter dem offenen weißen Hemd trug sie nichts. Ihre Brüste zeichneten sich genau ab, sodass nichts verborgen blieb. Durchs Silenas Bewegungen schwangen sie leicht.
    Sie wandte ihm den Rücken zu und beugte sich nach vorn, um etwas vom Bett aufzuheben. Dabei rutschte das Hemd nach oben und zeigte mehr von ihrem Po. Noch trug sie kein Höschen.
    Dann richtete sie sich auf, blickte ihn über die Schulter an und lächelte ihm zu. In den Händen hielt sie ein weißes Seidenhöschen. Es war das Lächeln, das eine Frau einem Mann gewährte, wenn sie eine Nacht zusammen verbracht hatten. Grigorij kannte es genau. Dann stieg sie in die Unterwäsche.
    Ein dunkelblonder, gut aussehender Mann betrat den Raum. Er bewegte sich geschmeidig wie ein Raubtier und näherte sich Silena unbemerkt von hinten. Sodann hob er die Arme; die langen, gefeilten Fingernägel leuchteten im Schein der einzelnen Strahlen, die durch die Läden drangen. Grigorij sah zum ersten Mal in seinem Leben braune Augen, die kalt und grausam waren. Es gab nicht einen Hauch von Gefühl darin.

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