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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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weiter entfernt in der gleichen Straße stand. Darin stand ein schicker Citroen Phaeton.
    »Das nenne ich einmal Luxus. Sieht nach einem starken Motor aus. Schöner Innenausbau, perfekte Ledersitze, gehegt und gepflegt«, meinte Grigorij anerkennend und applaudierte andeutend. »Wie kommen Sie denn an so einen Wagen?«
    »Als Bürgermeister darf ich mir das erlauben«, erwiderte Farou und stieg ein. »Nehmen Sie hinten Platz. Es sitzt sich sehr angenehm.« Er wartete, bis sie sich niedergelassen hatten, dann startete er den Motor und steuerte den Phaeton aus der Scheune; mit hoher Geschwindigkeit ging es durch die Straßen. »Wie sieht Ihre Spur aus, Großmeisterin?«
    »Wir müssen uns die Wasserspeier und Steinstatuen auf den Dächern der Kathedrale anschauen. Es kann sein, dass wir bald mehr wissen.« Silena klappte das Fenster nach unten und ließ die eisige Winterluft hineinströmen, um zu verhindern, dass sie einschlief. »Wer lebt auf dem Mont-Saint-Michel?«
    »Ein paar Fischer sind dort geblieben und bewachen sozusagen die Anlage. Die Mönche haben das Kloster schon lange aufgegeben, es wurde vor etwa dreißig Jahren zu einem Denkmal Frankreichs erklärt. Charles der Unerreichte hat angeordnet, es restaurieren zu lassen, aber Gelder sind noch keine geflossen. Er wird die Steuern für seinen Hof benötigen.« Farou brauste mit ihnen über die schmale Straße in Richtung der Bucht, wo sich der Berg als dunkler Schatten über den glitzernden Wellen abhob. Die Wolken hatten sich aufgelöst und den Sternen Platz gemacht, deren schwaches Licht nicht ausreichte, den Berg zu beleuchten.
    Während sie sich der Insel näherten, rief Silena sich ins Gedächtnis, was sie in den letzten Stunden über den Mont-Saint-Michel erfahren hatte. Ein mächtiges Kloster, eine Festung, ein Gefängnis – der Mont-Saint-Michel war vieles gewesen, bis das Kloster 1863 aufgegeben worden war. Etwa zehn Jahre später war der Berg zum nationalen Denkmal erklärt worden. Und niemals, zu keinem Zeitpunkt, konnte sich Silena daran erinnern, etwas in den Berichten quer durch die Jahrhunderte über Drachen gelesen zu haben. »Was ist denn die Aufgabe der Menschen, die dort leben, Monsieur Farou?«
    »Auf dem Mont?«
    »Ja.«
    »Sie halten die Mauern in Schuss und machen Führungen für die Gäste, die in den Sommermonaten zu Scharen hierher kommen. Einige vermieten ihre Häuser, andere dagegen sind Fischer und Salzbauern geblieben.« Farou lenkte den Phaeton auf den Damm, über den an manchen Stellen noch Wasser schwappte. »Die Gezeiten sind hier sehr ausgeprägt«, warnte er sie. »Das Wasser fließt bei Flut schnell in die Bucht, mit etwa einem Meter pro Sekunde. Das hat früher zahlreiche Pilger das Leben gekostet. Wer im Watt stecken blieb, der war verloren. Aber wenigstens kam seine Seele in den Himmel. Das ist das Gute an Pilgerfahrten.«
    Sie hielten auf einen kleinen Wendeplatz vor dem Eingang zu. Farou stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen, die anderen zwei folgten ihm.
    Silena atmete die salzige Luft tief ein. Es roch frisch und unglaublich belebend, unsichtbar kleine Tröpfchen flogen umher und wurden auf den Mänteln sichtbar, und als sie sich über die Lippen leckte, schmeckte sie das Salz. »Der Damm ist die einzige Zufahrt.«
    »Es gibt eine Fähre, die bei Bedarf hinausfährt, aber wenn wir eine Sturmflut haben, ist gar nichts mehr zu machen. Dann ist der Berg von der Außenwelt abgeschnitten.« Farou schritt auf das Tor zu und zog an der Kette, die aus der Wand hing. Von ganz weit weg hörten sie ein leises Schellenläuten. »Aber die Bucht versandet allmählich. Ich nehme an, dass es an dem Damm liegt.«
    Silena sah hinauf zur Kathedrale, deren Fenster immer noch leuchteten. Ein atemberaubender Anblick.
    Eine Glocke erklang, mit einem einzelnen, tiefen und sehr durchdringenden Schlag, der durch Silenas Körper fuhr und auf der Haut kribbelte, ihr sogar für einen Lidschlag die Luft raubte. »Bei den Heiligen, was war das?.«
    Grigorij hustete, klopfte sich gegen die Brust. »Das war der erstaunlichste Ton, den ich in meinem Leben hören durfte – einmal vom Schrei eines Drachen abgesehen.«
    »Das war der Erzengel. Er erhebt seine Stimme immer zur Viertelstunde.« Farou betätigte die Schelle ein weiteres Mal, aber mit mehr Kraft und Ausdauer, bis er einen wütenden Ruf hinter der Mauer vernahm. »Ah, es ist doch noch einer wach«, grinste er.
    »Ich finde die Insel immer erstaunlicher«, meinte Grigorij. »Man kann

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