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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Zauber, verwandelte die Schaumkronen auf den Wellen in Silberbeschläge. Die Gestirne schienen beruhigend auf die See einzuwirken und den Frieden zu bringen, den das Unwetter genommen hatte.
    Auf der anderen Seite, über Avranches, rollte das Gewitter heran. Der Sturm ballte und formte die Wolken nach Belieben, und das unentwegte Drücken presste Regen und Blitze aus ihnen heraus, die mit Wucht auf das Land niedergingen. Silena erkannte sogar zwei lodernde Feuer, eines davon in Avranches, wo der Blitz etwas in Brand gesetzt hatte.
    Hinter ihr klirrte es, dann huschte ein Schatten an ihr vorüber. Geistesgegenwärtig griff sie nach ihm und bekam die Schulter des Fürsten zu fassen. Er hatte beim Aussteigen das Gleichgewicht verloren und war nach unten geschlittert.
    »Danke sehr, Großmeisterin.« Er war bleich im Gesicht, die grüne Brille war von Tropfen übersät. Grigorij sah zum Dachrand. »Das hätte übel ausgehen können.« Er schluckte schwer. »Ich schulde Ihnen mein Leben…«
    Silena ließ ihn los. »Nein, tun Sie nicht. Es wäre sicherlich gut für Sie ausgegangen.« Sie mochte den Gedanken nicht, einen Menschen an sich gebunden zu wissen. Nicht aus ewiger Dankbarkeit. »Ich habe dem guten Ausgang nur vorgegriffen, das war alles.«
    Er sah nach Avranches. »Meine Güte«, stöhnte er beim Anblick der schwarzwolkigen Front. »Es sieht aus wie ein Raubtier, das sich brüllend auf uns stürzen möchte. Ich habe noch niemals Wolken gesehen, die so böse und lebendig wirkten wie diese.«
    »Einbildung, Fürst. Machen wir uns auf die Suche.« Silena arbeitete sich vorsichtig zum First hoch und balancierte auf dem handbreiten Grat entlang; dabei sah sie immer wieder nach rechts und links und hielt nach steinernen Statuen Ausschau.
    Grigorij kam ihr nach, wobei er es bevorzugte, auf dem Hosenboden vorwärts zu rutschen.
    »Ich gehe da hinüber«, rief sie und hatte nun beträchtliche Schwierigkeiten, sich gegen die Böen zu stemmen.
    Sie hob den Fuß – und der Erzengel Michael rief aufs Neue. Das Vibrieren seiner Stimme versetzte sogar den First in Schwingung – jedenfalls hatte Silena den Eindruck.
    Dieses Mal erwischte es sie, auch die ausgleichenden Bewegungen mit den Armen halfen nicht länger. Sie fiel nach links, rutschte über die Schindeln. Ihre Rippen wurden geprellt, Stoff und Haut scheuerten sich an dem harten Stein auf.
    »Silena!« Grigorij handelte, ohne darüber nachzudenken, was er tat. Er sprang, warf sich mit Schwung auf das Dach und schlitterte der Frau kopfüber hinterher. Als er sie eingeholt hatte, packte er ihre Hand.
    Sie schoss an dem Sockel eines Wasserspeiers vorbei. Grigorij dagegen schaffte das Kunststück, ihn genau mit dem Oberkörper zu rammen und einen Absturz zu verhindern. Seine Rippen und das Brustbein knirschten, die Luft schoss ihm aus den Lungen.
    Silena baumelte frei über der Kante, unter ihr ging es etliche Meter nach unten. Den Sturz hätte sie niemals überlebt.
    »Ich habe dich«, ächzte er und zog sie langsam zurück aufs Dach. Während er sie nach oben hievte und sie sich zurück auf die Schindeln schwang, wunderte sie sich über die Selbstlosigkeit des Mannes. So hatte sie ihn bisher nicht eingeschätzt.
    Fest umklammerte sie den Sockel und drückte seine Hand, er nickte ihr zu. Beide waren zu sehr außer Atem, um sprechen zu können.
    Grigorij schaute an dem Gargoyle hinauf, ein gewaltiges Exemplar in einer zusammengekauerten Haltung, sodass man die wahre Körpergröße nur erahnte. Er bemerkte die kleinen, kurzen Schuppen, die im nächsten Blitz aufglänzten. Der Regen hatte den Stein dunkelgrau gefärbt. Als der Russe das echsenhafte Gesicht erblickte, stockte sein Atem: In den Augen lauerte etwas, die Schatten auf dem Antlitz verliehen dem Wasserspeier ungekannte Düsternis und Gefährlichkeit.
    Er schauderte und wollte sich rasch abwenden, da fiel ihm ein, weswegen ihm der Anblick bekannt vorkam.
    »London«, stöhnte er und packte Silenas Arm. »Das…«
    Ruckartig bewegte sich die vermeintliche Statue, und ein grün leuchtendes Augenpaar blickte zu ihnen hinab. Sie öffnete ihr Maul und kreischte schrill, durchdringend, dabei beugte sie sich nach vorn und erschien noch größer und bedrohlicher, als sie es ohnehin war.
    Silena schlug ohne zu zögern mit dem Schwert samt der Scheide zu. Im Kampf gegen steinernde Gegner waren Schwung und Gewicht angebrachter als Schärfe.
    Die Scheide brach einige Zähne aus dem langen Maul. Der Gargoyle brüllte laut und

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