Die Mächte des Feuers
behält«, ergänzte Cyrano. »Wir erfuhren zu spät davon. Und die Drachen fanden in Auberts Schädel einen mächtigen Drachenstein.«
»Das erklärt das Loch.« Silena überlegte, warum sich Aubert als Mensch hatte begraben lassen, und fragte den Gargoyle.
»Aubert war ein eitler Drache. Er wollte sich der Anbetung und des Ruhms auch über den Tod hinaus gewiss sein. Also starb er in der Gestalt eines Menschen, damit er angebetet und verehrt wurde. Von Wesen, die er im Grunde verachtet hatte.« Cyrano strich über das Kreuz. »Die Drachen woben mithilfe des Steines den Bann, der uns Gargoyles zu Stein erstarren ließ. Damit sie die Formel nicht vergaßen, um den Fluch eines Tages vielleicht aufheben zu können, schrieben sie diese auf die Innenseite des Schädels. Wer ihn aufhebt, wird Herrscher über die Gargoyles sein.« Er grollte. »Doch das entscheidende letzte Wort steht auf dem Stein.«
»Der schwarze Drache und du haben ein Abkommen…«
»Nein. Er schlug mir einen Pakt vor und machte mir große Versprechungen, dass wir uns an den alten Drachen, den so genannten Altvorderen, rächen dürften, doch ich durchschaute sehr schnell, was er in Wahrheit beabsichtigte. Er will einen Krieg, und dabei will er uns als Verbündete erzwingen, indem er es ist, der den Bann bricht. Mit uns und seinen verbündeten Drachen würde er die Ostdrachen aufhetzen, gegen die Alte Welt einen Schlag zu führen.« Cyrano schüttelte den Kopf. »Er ist wahnsinnig.«
Grigorij betrachtete den Gargoyle. »Angenommen, du bist derjenige, der es schafft, den Fluch zu brechen und deine Freunde zum Leben zu erwecken: Wie würde es weitergehen?«
Cyrano grinste, und dabei zeigte er sein kräftiges Gebiss. »Wir würden den Menschen das Angebot unterbreiten, die Drachen auszulöschen. Kein Ort wäre mehr sicher für sie, weder die Gebirge noch die Schluchten noch die Tiefen der Meere, in denen einige von uns schlummern und auf ihre Erweckung warten. Danach wollen wir mit euch in Frieden leben.« Er sah in die Runde. »Wir haben denselben Feind. Es liegt an dir zu entscheiden, Silena, ob wir Verbündete sind oder eine zweite Front eröffnen.«
Silena wandte sich ab und wandelte durch die Kathedrale, in der das Krachen des Donners widerhallte. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Das Officium in Kenntnis setzen? Das Wesen angreifen und vernichten und den Schädel auf eigene Faust suchen? Wo waren die geraubten Gegenstände aus dem Museum abgeblieben? Was würden die Drachen unternehmen, um Auberts Reste in die Klauen zu bekommen?
»Der schwarze Drache wird die Insel angreifen lassen, Großmeisterin.« Grigorij tauchte neben ihr auf. »Er ist nicht mehr weit von seinem Ziel entfernt, und alles, was wir zur Verteidigung besitzen, ist eine Glocke und ein halb zerstörter Gargoyle.« Er stellte sich ihr in den Weg, damit sie anhielt. »Sie müssen das Officium informieren, Großmeisterin! Dies ist der Ort, den ich in meiner Vision gesehen habe. Hier wird der Kampf um den Weltenstein entschieden, da bin ich mir sicher. Und wir brauchen dabei alle Krieger, die uns das Officium senden kann.«
Silena schaute über die Schulter zu Cyrano. »Ich sollte ihn töten«, flüsterte sie bebend. »Er hat meine Brüder ermordet, und auf sein Geheiß hin brachten die Gargoyles den Tod zu anderen Drachentötern.«
Grigorij packte sie bei den Schultern. »Schieben Sie Ihre Rache auf, Großmeisterin, ich bitte Sie! Es geht um die Vorherrschaft der Drachen! Um einen Weltkrieg, wie ihn noch kein Mensch erlebt hat und den kaum ein Mensch überleben wird. Sie kennen die Macht der Drachen. Stellen Sie sich vor, was sie anrichten, wenn sie über uns herfallen! Wenn die Gargoyles erwachen, erneut zu ihren Dienern werden und ebenfalls über uns herfallen.«
Sie sah ihn an. »Dann glauben Sie die Geschichten, die Cyrano und Gessler uns erzählt haben?«
Er seufzte. »Ich habe in den letzten Wochen Dinge erlebt, die mich an nur noch wenigen Ereignissen zweifeln lassen. Aber was wir herausgefunden haben, die Bilder mit den Gargoyles – es fügt sich.« Grigorij nahm die Hände nicht von ihren nassen Schultern, die Blicke der beiden wollten sich nicht mehr voneinander lösen.
Silena schluckte wieder, schwieg.
In die Stille hinein schlug die Glocke aufs Neue. Ein beruhigender, bewegender Ton, der sogar das Krachen des nächsten Blitzes übertönte. Sie schloss die Augen und lauschte, sog den Klang in sich auf, der die Ängste aus ihrem Verstand fegte und
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