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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Decke, sie lagen auf Tischen und am Boden, aufeinander und nebeneinander, aufgeschlagen und geschlossen. Zwei Stapel ruhten auf dem Schreibtisch am Fenster, geöffnet und übereinander geschichtet.
    »Sir Gisborn hat an einem Projekt gearbeitet, wie es aussieht?« Sie ging auf den Tisch zu und nahm daran Platz, überflog die ausgebreiteten Seiten. Es waren mittelalterliche Schriften und moderne Landkarten, Aufzeichnungen aus dem 14. Jahrhundert und Berichte über Drachensichtungen in der Gegenwart. »Gab es einen Tresor, Mister Benson?«
    »Nein.«
    Sie sah kurz von ihrer Lektüre auf – ein nahezu tödlicher Blick.
    »Es gab einen«, räumte er ein, schritt zu einem Bord und öffnete es. Hinter einer Reihe aus falschen Buchrücken lag die Tür eines kleinen Panzerschrankes, gesichert mit einem Zahlenschloss.
    »Öffnen Sie es, bitte.«
    »Ich weiß die Kombination nicht, Großmeisterin«, gestand er. »Sonst hätte ich darin längst nach meinem Lohn für die letzten beiden Wochen gesucht.«
    Silena schenkte ihm keine Beachtung; ihre ganze Aufmerksamkeit galt einem Auszug des Werkes der heiligen Hildegard von Bingen, in dem sie über Basilisken und Drachen schrieb. Darunter entdeckte sie die Abschrift eines Textes, der dem Vermerk nach im Original wohl aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts stammte.
     
    Der Drac tut nicht nur schauen und fressen, fliegen und plündern, verwüsten und Feuer speien. Manch alt Gewürm hat sich dem Bösen angetragen, Schlimmstes den Menschenkindern anzutun und um die Macht der Hexerei gebeten. Sie tragen das Verderben im Kopf. Daher vermögen sie Unwetter und Gewitter heraufz u beschwören, blasen Wetterwolken in die blauen Himmel, schle u dern Blitze und schnauben dicken Nebel, alsweil lassen sie die Masten der Schiffe glühen und reißen Sterne vom Himmel, die in einem Funkenschweif nachts zur Erde fallen.
    Und siechen die Leut in einem Dorf arg schnell, hat sie der Fluch des Gewürms getroffen, und sie seien alle verloren, sofern nicht Hilfe naht.
     
    An die Zauberkunst der Drachen entsann sich Silena nicht. Weder die Schriften von Ambrosius, Herodot, Isidor, Cassiodor, Solinus noch die von Plinius erwähnten solche Hexerei; in den Bestiarien des Mittelalters, wie im Physiologus oder in Conrad von Megenbergs Buch der Natur, das auch Rezepturen zur Drachenabwehr gab, stand ihrer Meinung nach nichts darüber … oder? Sie musste noch einmal ihre Unterlagen durchsehen, sie war im theoretischen Teil nie besonders gut gewesen. Ihr Vater hatte sie von Kindesbeinen an ›eine Frau der Tat‹ genannt. Wie an der Essensausgabe des Internats.
    »Hat Sir Gisborn darüber geforscht?«, fragte sie Benson und nahm das nächste Buch.
    Dabei fiel ein Foto heraus, auf der eine Ansammlung von Menschen zu sehen war, die um einen Tisch saßen und sich mit kühlen Blicken der Kamera zuwandten. Darunter waren mit schwungvoller Hand Namen geschrieben worden.
    Silena sog Luft ein. Sie erkannte darauf die Tote auf dem Automobildach wieder, und der Name des zweiten Mannes von rechts, Irmser, passte zu dem selbstmörderischen Spiritisten aus München. Außer Gisborn befand sich eine hübsche, noch recht junge Frau auf der Aufnahme, die heute wesentlich älter war: Madame Arsenie Sofie Sàtra, Frankreichs bekanntestes Medium und eine Selbstdarstellerin, wie es nicht einmal Zadornov an den Tag legen konnte. Das Wort Diva hätte allein für sie erfunden sein können.
    Sie hielt das Bild in die Höhe. »Sir, was sehe ich da?«
    »Ein Andenken, Großmeisterin, an die Tage, die mein Herr in Vertrautheit mit anderen Discipuli des großen Daniel Dunglas Home verbrachte. Mit Madame Sàtra verband ihn darüber hinaus eine Liaison«, erklärte er.
    »Aber es kam zum Bruch?«
    »Ja. Wegen der Fortführung und Verfeinerung der Methoden des Meisters Home. Sie alle hatten unterschiedliche Auffassungen von seiner Lehre, und nach dessen Tod im Jahre 1866 kam es zum Zwist. Jeder von den Herrschaften verfolgte seine eigene Methode.« Benson schaute auf die Handschrift. »Und was Ihre erste Frage anbelangt: Er hat mich darüber nicht in Kenntnis gesetzt, Großmeisterin. Er wollte nicht, dass ich dadurch in Gefahr geriete.«
    »Kann es sein, dass diese Herrschaften«, sie wedelte mit der Aufnahme, »diese Seance begingen, bei der Sir Gisborn zu Tode kam?«
    »Wie ich bereits sagte: Ich befand mich außer Haus«, beharrte Benson. »Ich wusste nur, dass eine Seance beabsichtigt war, mehr nicht.«
    Silenas Augen betrachteten

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