Die Mächte des Feuers
»Ja, Sie haben Recht«, stimmte er zu.
»Aber ich lasse mir etwas einfallen«, sagte sie rasch und etwas zu hastig. Sie hatte sich schon wieder verraten.
Eris strahlte sie an, und mit dem Lächeln stiegen Schmetterlinge in ihrem Bauch auf und flatterten umher. »Wie schön.« Er räusperte sich und schaute auf das Buch vor ihr. »Das Zepter des Marduk?«
»Ein heidnisches Artefakt. Der Drache und die Menschen im East End wurden damit getötet. Ich denke, dass Drachenjäger dahinterstecken.«
»Vielleicht arbeiten sie mit Skelton zusammen«, mutmaßte Eris und schob sich den nächsten Keks in den Mund. »Er besorgt ihnen die Informationen, wo es was zu greifen gibt, und sie kümmern sich um den Rest.«
»Finden Sie heraus, wo Leida Havock und ihre Leute sind. Organisieren Sie sich einen Durchsuchungsbefehl. Das ist mein Vorschlag.«
»Aus welchem Grund?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Eine Ahnung.«
Eris nickte bedächtig. »Ich werde sehen, was ich in die Wege leiten kann.« Er stand auf. »Dann besorge ich uns erst einmal die Fahrkarten nach Edinburgh.«
»Lassen Sie, Eris. Wir fliegen nach Schottland. Die Theben schafft die Strecke schneller als jede Bahn.« Silena klopfte auf das Buch vor sich. »Ich habe noch zu tun. Abflug ist morgen früh, Punkt sechs Uhr.«
»Ich werde da sein.« Er betrachtete sie, sammelte seinen Mut. »Darf ich Sie auf ein Bier oder einen Drink einladen, wenn Sie mit der Recherche fertig sind?«
»Sehr gern«, erwiderte sie. »Treffen wir uns kurz nach neun vor dem Museum? Bis dahin habe ich entweder etwas über das Zepter herausgefunden, oder ich habe keine Lust mehr, in den Büchern zu suchen.«
»Sehr schön! Freut mich, dass Sie meine Einladung annehmen, Silena.« Eris schenkte ihr ein Abschiedslächeln und verließ das Archiv, während sie sich wieder ihrer Lektüre widmete.
Ihre Augen huschten über die Zeilen, aber sie nahm nur die Hälfte dessen wahr, was sie las. Der Mann verwirrte sie, machte sie vollkommen durcheinander. Und es gefiel ihr. Ihre letzte Beziehung hatte sie vor einem Jahr beendet. Es war ein junger Fliegerkadett gewesen, ein Schüler Richthofens, der sie wahrscheinlich weniger wegen ihrer Art, sondern mehr wegen ihrer Herkunft und ihrem Äußeren anziehend gefunden hatte. Damals hatte sie das Haar noch lang getragen, danach hatte sie es sich auf den mittelalterlich anmutenden Schnitt kürzen lassen. Alle nachfolgenden Angebote der Männerwelt hatte sie ausgeschlagen, niemand entsprach ihren Ansprüchen.
Niemand.
Außer Eris Mandrake.
Silena beschloss, ihn bei einem alkoholfreien Drink näher kennen zu lernen und abzuklopfen. Bislang wusste sie gar nichts über ihn, was bei Geheimagenten vermutlich so sein musste. Sie nahm sich vor, sich dabei nicht von seinem bestechenden Charme beeinflussen zu lassen. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, das mit ihrem Schwarm ausgehen durfte. So ähnlich verhielt es sich auch. Wenig Männer, zu viel Arbeit – dadurch hatte sich bei ihr eine gewisse Unerfahrenheit in Liebesdingen gehalten. Es würde sich herausstellen, ob es schön oder nachteilig war.
Sie schlug das nächste Buch auf, blätterte darin herum und hatte doch nur Eris' Gesicht vor sich, ganz gleich, was sie ansonsten betrachtete oder las. Es gab keinen Zweifel, dass sie sich in ihn verliebt hatte.
Ihre Augen blieben an handschriftlich eingefügten Worten in einem Buch hängen.
Anmerkung: Das Zepter des Marduk trägt meines Erachtens Tiamats Fluch in sich.
In einem altbabylonischen Text auf der linken Innensäule eines Arkadenganges nahe dem Ishtartor lässt sich Folgendes finden, behauptet Armin Randler :
DENN VOR IHREM TOD SPRACH DIE TIAMAT: NICHT MEHR ALS ELF SOLL DAS ZEPTER TÖTEN, DANACH WIRD ES VERGEHEN UND MIT SICH REISSEN ALLES, WAS UM ES HERUM LEBT. DAS IST MEINE RACHE, DIE HIMMEL UND ERDE GLEICHERMASSEN TREFFE, AUS DENEN MEIN LEIB GEFORMT WERDE.
Habe eine Prüfung veranlasst, Reise nach Ninive ist vom Kurat o rium genehmigt.
Silenas Gedanken lösten sich von Eris, die Entdeckung hatte ihren Forscherdrang geweckt. Sie versuchte herauszufinden, wer diese Zeilen in das Buch geschrieben hatte, fragte auch bei der Ausleihe nach, die in ihren Unterlagen nichts finden konnte.
Auch die Suche nach einer Reise nach Ninive erwies sich als Fehlschlag. Es gab weder Aufzeichnungen noch Abrechnungen darüber. Entweder hatte die Überprüfung vor Ort niemals stattgefunden, oder sämtliche Aufzeichnungen waren
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