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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Köpfe schnellten herum. »Ich sage es ja: Wir Frauen stehen noch am Anfang unserer Gleichberechtigung«, meinte sie zu Hubert, nahm die lange Spitze aus ihrer Handtasche und zündete sich eine Zigarette an. »Ihr Männer habt Angst vor uns. Das ist die Wahrheit. Ihr hattet schon immer Angst vor uns.«
    »Wie Sie meinen, Madame Sàtra«, entgegnete der Angestellte höflich und verneigte sich.
    »Lassen wir das. Bringen Sie mich zu meinem Schließfach, bitte.«
    »Sehr wohl.« Hubert wandte sich um und schritt voran quer durch die Halle in den hinteren Bereich, wo Stufen nach unten führten. Vor einer großen Eisentür, an der zwei Männer Wache hielten, blieb er stehen, holte einen Schlüssel hervor und öffnete sie. Sie standen in einer Schleuse, die nächste Tür ließ sich nur mit zwei Schlüsseln öffnen: einem der Bank und einem des Kunden.
    Endlich stand sie in dem gepanzerten, von dicken Wänden umschlossenen Raum mit den Schließfächern und ging bis nach hinten zum letzten Fach mit der Nummer 42. Ihrem Fach.
    Hubert war diskret am Eingang stehen geblieben und wartete.
    Arsenie öffnete es, nahm die Schatulle heraus und warf einen Blick hinein.
    Darin lag noch immer ein in ein Öltuch geschlagener, hühnereigroßer Gegenstand, den sie vorsichtig auswickelte. Sofort stieg ein intensiver Geruch auf, würzig und faulig, wohltuend und abstoßend zugleich.
    »Sehr gut«, murmelte sie, rollte den mit schwarzen Punkten übersäten, gelben Stein ein und verschloss die Box, die gleich darauf wieder in die Schatulle und das Schließfach wanderte.
    Sie hatte sich mit eigenen Augen davon überzeugen müssen, dass sie das Artefakt immer noch besaß.
    Sie schritt an Hubert vorbei. »Danke sehr, das war es schon«, sagte sie zu ihm. »Ist Ihnen in letzter Zeit irgendetwas aufgefallen?«, fragte sie, als sie gemeinsam die Stufen in die Halle hinaufstiegen. »Merkwürdige Kunden oder Anfragen?«
    »Nein, Madame Sàtra«, gab er Antwort. »Alles ist wie immer … oder gibt es da etwas, was die Geschäftsleitung wissen sollte?«
    »Nein, keine Sorge. Ich bin nur ein wenig… Vergessen Sie, was ich Sie fragte, Hubert.« Arsenie tätschelte seinen Oberarm. »Oh, Sie sind stärker geworden, merke ich. Muskeln finden wir Frauen immer gut.«
    Er strahlte, und sie grinste. Damit hatte er ihre Frage schon wieder vergessen. Draußen stieg sie in ihren Maybach, ließ den Motor an und steuerte das Automobil zurück zum Adlon. Da Scottings aus unbestimmbaren Gründen nicht liefern konnte, würde sie ihre Anstrengungen auf den Russen verlagern. Sie war sehr gespannt auf ihn.

18. Januar 1925, Hauptstadt London, Königreich Großbritannien
     
    Silena saß tief unten in den Kellern des britischen kunsthistorischen Museums im Schein einer elektrischen Birne und zweier Öllampen. Der kleine Tisch bog sich unter der Last der Bücher, die sie darauf abgestellt hatte.
    Der Tee neben ihr war schon lange kalt, aber sie hatte keine Zeit gefunden, sich mit dem köstlichen Getränk zu stärken. Unaufhörlich folgte sie den Verweisen aus den Nachschlagewerken und suchte nach mehr Informationen über das Zepter des Marduk. Ihr Amulett hatte sie einfach nach hinten auf den Rücken gehängt, da es ansonsten ständig in den Seiten herumbaumelte. Im Keller gab es keine Drachengefahr.
    Allmählich verzweifelte sie.
    Das Gilgamesch-Epos sprach in der Tat von Tiamats Zaubermacht, und es erwähnte auch das Zepter. Allerdings war es gleich darauf eine Keule, dann wieder ein gewaltiges Schwert, wieder andere Quellen nannten Pfeil und Bogen und Speere, mit denen Tiamat gefällt worden war. Bislang hatte sie vergebens einen Hinweis gesucht, womit genau nun Marduk den Drachen Tiamat in zwei Hälften geschnitten hatte, um daraus Himmel und Erde zu erschaffen.
    Silena stützte den Kopf in die Hände, schloss die Augen und atmete tief aus. Keine Spur vom Zepter, von Skelton oder Zadornov, weder tot noch lebendig. Die Nachricht von der Resistenz des Drachen gegen ihr Schwert hatte Erzbischof Kattla in helle Aufregung versetzt, und die Gelehrten in den Archiven des Officiums suchten mit aller gebotenen Eile nach einem Bild, das den Beschreibungen der Drachenheiligen entsprach.
    Überall hakte es.
    Die Tür schwang auf, und nach ihren letzten Erfahrungen handelte Silena rigoros: Sie zog die Luger, die andere Hand fuhr an den Schwertgriff – und schaute auf Mandrake, der ein Tablett mit Keksen und frischem Tee balancierte.
    »Das nenne ich mal eine Begrüßung,

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