Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
Vom Netzwerk:
Jerome!«, rief er, als er den Wagen in Raum 710 schob. »Ich hätte Apfel und Orange im Angebot. Was möchtest du?«
    Jerome saß im Schneidersitz auf dem Bett und weigerte sich, von dem Anzeigenblatt aufzuschauen; es war die einzige Zeitung, die er las.
    »Apfel oder Orange?«, wiederholte Rupert.
    Keine Reaktion.
    »Irgendwelche Gutscheine für Sonderangebote?«, fuhr Rupert fort.
    Keine Reaktion. Wie immer.
    Rupert wusste, dass er es nicht persönlich nehmen durfte. Immerhin war das hier Station 5 des John-Howard-Pavillons; hier lagen die NSUs. Nicht schuldig wegen erwiesener Unzurechnungsfähigkeit.
    Er machte mit dem Saftwagen kehrt und schob ihn zu Raum 711 auf der gegenüberliegenden Seite des Gangs. Der nächste Patient, pardon, der nächste Konsument war erheblich pflegeleichter, das wusste er.
    Das war nicht immer so gewesen. Als Patient 711 vor zehn Jahren eingeliefert wurde, durfte er keine Besucher empfangen, bekam keine Post, und ihm wurden alle scharfen Gegenstände sowie Schnürsenkel abgenommen. Der Saftwagen war natürlich auch tabu für ihn. Kathy C., die am längsten auf der Station Dienst tat, erzählte, dass 711 in seinem zweiten Jahr auf der Station dabei erwischt wurde, wie er seinen mittleren Fingernagel feilte, bis er so scharf wie ein Rasiermesser war, in der Hoffnung, einem der Mädchen von der Friseurschule, die auf die Station kamen, um den Patienten unentgeltlich die Haare zu schneiden, ein blutiges Kreuz in den Hals zu ritzen.
    Natürlich hatten sie sofort den Secret Service gerufen.
    Wenn es um 711 ging, mussten sie immer den Secret Service rufen.
    So etwas passierte, wenn man versuchte, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika eine Kugel in den Kopf zu jagen.
    Aber nach zehn Jahren Therapie und einem Haufen von Medikamenten war 711 ein vollkommen neuer Mensch. Ein besserer Mensch.
    Ein geheilter Mann, dachte Rupert, und war sich in dem Punkt mit den meisten Ärzten einig.
    »Hi, Nico!«, rief Rupert, als er den spärlich möblierten Raum betrat. Er enthielt ein Bett, einen Nachttisch aus Holz und eine lackierte Anrichte, auf der Nicos Bibel, ein roter Rosenkranz aus Glas und der neueste Gratiskalender der Washington Redskins lagen .
    Nico blickte von dem Buch hoch, das er gerade las. Er hatte graumeliertes Haar mit Topfschnitt und eng zusammenstehende, schokoladenbraune Augen. Vor zehn Jahren, als der Präsident gerade ein NASCAR-Rennen besuchte, wäre es Nico beinahe gelungen, den mächtigsten Mann der Welt zu ermorden. Das Video von dem Anschlag wurde immer wieder gespielt, vor allem beim jährlichen Gedenktag.
    Als das Geschrei begann, stürzte sich ein Schwarm von Agenten des Secret Service von hinten auf Nico und riss ihm das Gewehr aus der Hand.
    Heute war Nico nicht mehr so dumm.
    Er sprach nicht mehr von damals.
    Er wusste, dass ihn die Welt niemals so hätte sehen dürfen.
    Eine Sache jedoch hatte Nicholas »Nico« Hadrian damals nicht gewusst, als er so brutal zu Boden gerissen wurde, nämlich dass er Vater einer kleinen Tochter geworden war.
    »Also Nico, Apfel oder Orange?«, rief Rupert.
    Nico lächelte herzlich. »Gib mir einfach das, wovon du am meisten hast«, antwortete er. »Du weißt ja, ich bin pflegeleicht.«
     

9. Kapitel
    »Und jetzt rück mit dem raus, was du mir bisher verschwiegen hast!«, fordert mich Clementine auf, als ich den Stuhl zurechtrücke und das grobe Aufräumen beende. Ich stürme danach zur Tür und habe das alte Wörterbuch in der einen und meinen von Kaffeeflecken übersäten Arbeitskittel in der anderen Hand.
    »Orlando, ich muss …«
    »Verschwinde, ich muss den Alarm scharfmachen«, erwidert er und dreht an dem Zahlenschloss herum. »Aber vergiss nicht: Unsere Lippen sind versiegelt, okay? Wie bei Mark Felt, nicht wie bei der Lewinsky.«
    »Geht klar, aber wenn wir die Sache genauer untersuchen und merken, dass es wirklich übel ist …«
    »… bin ich der Erste, der ihnen die schmutzige Wäsche aushändigt«, meint er und klopft auf das Videoband in seinem Hosenbund.
    Während er die Tür sichert, laufen wir los. Orlando ist ein großer Junge. Er kommt gut allein zurecht. Bei Clementine dagegen verhält sich das anders. Sie weiß schließlich, dass es bei dem letzten Telefongespräch um ihren Vater ging.
    »Sie haben ihn gefunden, oder?«, fragt sie, während wir den SCIF hinter uns lassen und über den Gang laufen. Aus weiter Entfernung höre ich das gedämpfte Heulen der Polizeisirenen. Der Wagenkorso des Präsidenten

Weitere Kostenlose Bücher