Die Maechtigen
Lachen und zeigt auf eine Stahltür, die aussieht wie die Tür eines Tresors. Das ist der richtige Eingang.
»Oh … großartig.« Etwas Besseres fällt mir leider nicht ein.
»Wie können wir Ihnen behilflich sein, Mr. White?« Offenbar gehört sie zu den Leuten, die einen so oft mit seinem Namen ansprechen, bis man am liebsten Gift schlucken möchte.
»Eigentlich heiße ich Beecher. Ich komme vom Nationalarchiv. Wir planen eine Ausstellung über die Geschichte des Sankt-Elizabeth-Krankenhauses, das von der Regierung gegründet wurde, um den Geisteskranken zu helfen, beziehungsweise während des Bürgerkriegs als Hospital für die verwundeten Soldaten umfunktioniert wurde. Das Krankenhaus ist ein großartiger Bestandteil der amerikanischen Geschichte …«
»Sagen Sie mir einfach, wann und mit wem Sie eine Verabredung haben.«
»Das ist das Problem«, sage ich zu der Frau hinter der Scheibe. »Man sagte mir, ich solle vorbeikommen und mir kurz den Campus anschauen.«
»Das ist schon in Ordnung, Beecher. Trotzdem müssen Sie mir einen Namen nennen, damit ich dort anrufen kann.«
»Ich glaube, es war jemand in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit.«
»War es vielleicht Francine?«
»Sehr gut möglich. Es war auf jeden Fall eine Frau«, bluffe ich.
Sie senkt das Kinn und betrachtet mich durch das schmierige Fenster ihres Kabuffs.
»Stimmt was nicht?«, frage ich.
»Sie erzählen mir, Beecher, dass Sie keine Verabredung und keinen Kontaktnamen haben. Jetzt können Sie sich ungefähr vorstellen, welchen Menschen wir hier zu helfen versuchen. Also gehen Sie einfach zurück ins Archiv und vereinbaren ordnungsgemäß einen Termin.«
»Können Sie nicht einfach dort anrufen?«
»Ohne Termin gibt es keinen Anruf.«
»Aber wenn Sie …«
»Das wär’s denn wohl. Einen schönen Tag noch!«, stößt sie hervor und schaut mich verbissen an.
Ich sehe sie an, dann David Bowie. Als ich mich jedoch gerade abwenden will …
Die Stahltür, die nach oben führt, wird mit einem dumpfen Rumms geöffnet.
»… wirklich in Ordnung, wenn wir nach draußen gehen?« Clementine folgt zögernd einem Mann mit einem graumelierten, wilden Haarschopf und schokoladenbraunen Augen, die irgendwie zu eng zusammenstehen. Zuerst verwirrt mich das graue Haar, aber die Knollennase und die geschwungenen, dünnen Augenbrauen … Mein Gott, er sieht genauso aus wie in dem Video auf YouTube.
Nico Hadrian. Und Clementine.
Und sie kommen geradewegs auf mich zu.
28. Kapitel
»Mr. Laurent, Ihr nächster Kunde ist da!«, rief das Mädchen von vorne. Wall’s Friseurgeschäft war lang und schmal, mit sieben Frisierstühlen, alle in einer Reihe nebeneinander. Der Schuhputzer Gary arbeitet direkt neben der Eingangstür, und der beliebte James Davenport schneidet am Stuhl Nummer eins.
Laurent warf ihr vom letzten Stuhl ganz hinten in der Reihe einen kurzen Seitenblick zu, ohne jedoch seine Aufmerksamkeit von dem Kunden auf seinem Stuhl zu nehmen, seinem wichtigsten Kunden.
»Ich sollte jetzt zurückgehen, es ist schon spät«, sagte Dr. Palmiotti im Frisierstuhl.
»Sie gehen nirgendwohin. Noch zwei Minuten«, erwiderte Laurent und fuhr mit dem elektrischen Rasierer über Dr. Palmiottis Nacken. Den Kartoffelkeller ausfegen, wie Laurents Großvater das Ausrasieren des Nackens immer genannt hatte. Das sparte man sich bis zum Schluss auf.
»Es geht also um Ihren Bruder …«, meinte Laurent, obwohl er genau wusste, dass Palmiotti keinen Bruder hatte. »Wenn er Hilfe braucht, sollten Sie das dann nicht in die Wege leiten?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Palmiotti und drückte das Kinn auf die Brust. »Er lässt sich nicht gerne helfen.«
Laurent nickte. Das war schon immer das Problem von Präsident Wallace gewesen.
Alle Geschäfte, die so nahe am Weißen Haus lagen, hatten zumindest ein paar Fotografien von Politikern an der Wand hängen, die ihnen einmal einen Besuch abgestattet und ihnen unter die Arme gegriffen hatten. In Walls Friseurladen hingen keine solche Fotos, schon seit 1967 nicht. Nicht mal das Foto aus Newsweek , auf dem Laurent Präsident Wallace direkt vor der Amtseinführung die Haare schnitt. Der gegenwärtige Besitzer vertrat die Auffassung, dass man in dem mörderischen Haifischbecken der Politik nicht für die eine oder andere Seite Partei ergreifen sollte. Für Laurent jedoch waren die leeren Wände eine Mahnung, dass man in Washington nur auf sich selbst zählen konnte, wenn es hart auf hart kam.
»Vergessen Sie
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