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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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aufschlussreich. Eine Kollegin hat Merle gestern
vorzeitig nach Hause geschickt.“
    „Was? Das ist ja interessant. Davon
haben uns die Grothes gar nichts gesagt. Oder wussten die das nicht?“
    „Doch. Zumindest Frau Grothe hat es
gewusst. Die Kollegin hat nämlich gleich danach mit ihr telefoniert. Es ging im
Übrigen nicht darum, dass Merle wie eine Nutte angezogen war, obwohl das
natürlich auch zutraf, wie Frau Sonntag mir glaubhaft versicherte. Sie hat sich
wohl extrem im Ton vergriffen.“
    „Soll heißen?“
    „Den genauen Wortlaut kannte sie auch
nicht und die andere Kollegin hat heute unterrichtsfrei. Tja, Lehrer müsste man
sein.“ Seine Stimme nahm einen schwärmerischen Tonfall an, doch dann runzelte
er die Stirn. „Aber dann müsste ich mich ja mit diesen ganzen Kindern rumplagen.“
    Doreen rollte mit den Augen. „Komm
zum Punkt.“
    „Sorry. Es ist wohl so, dass Merle
schon seit längerer Zeit ziemlich aufsässig ist und sich nichts sagen lassen
mag. Frau Sonntag beschrieb sie als jemanden, der glaubt, dass er sich alles erlauben
kann und damit auch durchkommt. Sie scheint außerdem auf ihre Klassenkameraden
herabzusehen.“
    „Dann erübrigt sich wohl die Frage
nach einer Freundin.“
    „Gibt es nicht. Sie hat sich
scheinbar selbst isoliert, wobei Frau Sonntag meint, dass die anderen Schüler
tierischen Respekt vor ihr haben. Warum auch immer.“
    „Das scheint ja wirklich ein
ordentliches Früchtchen zu sein. Hat wohl viel von ihrem Vater abbekommen.“
    Roman grinste. „Genau das gleiche
hab ich auch gedacht. Ach so und dann hab ich Frau Sonntag noch nach dem Jungen
gefragt, der mir aufgefallen war. Ein gewisser Rouven Müller. Ist ein
Wiederholer, hat sich aber ganz okay in die Klasse eingefügt.“
    Irgendwie hatte Doreen das Gefühl,
dass es da noch eine Pointe gab. Sie kannte Roman genau und wusste, dass er
gern das Interessanteste zum Schluss aufhob. Sie sollte sich auch dieses Mal
nicht getäuscht haben.
    „Seine Eltern sind mit den Grothes
befreundet.“
    „Sag an. Wieso weiß die Sonntag
das?“
    „Elternabend. Sein Vater hat sich
angeblich sehr erfreut geäußert, dass sein Sohn mit Merle in eine Klasse geht,
wo sie sich doch schon so lange kennen.“
    „Dann hattest du wohl den richtigen
Riecher.“
    „Das wird sich rausstellen. In der
Klasse ist es nämlich überhaupt nicht deutlich geworden, dass die beiden sich
länger kennen. Die Sonntag meint, sie wäre nicht überrascht, wenn keiner der
anderen Schüler wüsste, dass die beiden sich schon lange kennen. Und von
Freundschaft kann man schon gar nicht sprechen.“
     
    Luisa Bartelt stellte den
Geschirrspüler an und ließ sich anschließend auf einen der Stühle im Timos
Küche fallen. Sie ärgerte sich maßlos über sich selbst. Da hatte sie sich
geschworen, dass sie Timo in Ruhe lassen würde, und dann das. Als ob der Tod
seines Vaters und alles, was damit zusammenhing, nicht schon schlimm genug war,
nein, sie musste ihn auch auf die Nachbarin ansprechen. Wie ein dummes
Schulmädchen hatte er sie einfach stehen lassen, anstatt ihre Frage zu
beantworten und sie konnte es ihm nicht verdenken, hätte sie an seiner Stelle
wohl dasselbe getan.
    Dass sie sich diese Blöße gegeben
hatte, würde sie sich so schnell nicht verzeihen, aber es war einfach zuviel
gewesen. Erst seine Mutter, die sie im Krankenhaus wie eine Aussätzige behandelt
hatte, dann diese ganze Situation um seinen Vater, bei der sie völlig im
Dunklen gelassen wurde und schließlich sein Unwillen, sich ihr mitzuteilen. Da
war es aus ihr heraus gebrochen, ehe sie sich hatte bremsen können. Es hatte
sich einfach zuviel angestaut in den letzten Tagen. Sie hatte das Gefühl
gehabt, zu ersticken, wenn sie nichts gesagt hätte. Wie auch immer, besser
gemacht hatte sie es nicht.
    Timos Gesichtsausdruck hatte Bände
gesprochen. Sie hatte ihn ertappt. Auch wenn er ohne ein weiteres Wort gegangen
war, wusste sie, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Entweder liebte
er die Frau noch immer oder er war sich seiner Gefühle unsicher, abgeschlossen
hatte er jedenfalls nicht mit ihr. Aber was bedeutete das für sie selbst?
Welchen Stellenwert hatte sie für ihn? Bedeutete sie ihm wirklich etwas oder
war sie nur die blasse Stellvertreterin? Hatte er, wann immer sie miteinander
intim waren oder sich geküsst hatten, in Wahrheit immer die andere vor Augen gehabt?
    Prima, Luisa. Schön reinsteigern.
Das half bestimmt. Sie seufzte. Was war sie doch für eine

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