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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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Tasse Kaffee eingoss, bestimmt
schon die fünfte, seit die Beamten das Haus verlassen hatten. Er konnte sehen,
wie ihre Hand dabei zitterte, sie aber dabei gleichzeitig versuchte, das
Zittern vor ihm zu verbergen. Er konnte sich nicht helfen, sie tat ihm leid,
wie sie da so völlig verloren am Küchenschrank stand. Vielleicht war er sie
vorhin zu hart angegangen, aber sie hatte ihn so verdammt ungeduldig gemacht,
dass er sie hätte schütteln mögen.
    Er war froh, dass sie jetzt
zumindest endlich etwas Ordentliches angezogen hatte und nicht immer noch in
Nachthemd und Bademantel herumlief. Das blaue T-Shirt und die Jeans standen ihr
gut. Sie brachten ihre schlanke Figur perfekt zur Geltung, obwohl er fand, dass
sie ruhig etwas mehr Fleisch auf den Rippen gebrauchen konnte. Sie hatte ganz
schön abgenommen. Wie lange hatte er sie nicht mehr angesehen, dass ihm das
nicht früher aufgefallen war?
    „Warum hast du sie den Computer
nicht mitnehmen lassen?“ holte sie ihn aus seinen Gedanken. „Vielleicht hätten
sie da ja was gefunden, das ihnen sagt, wo Merle abgeblieben ist.“
    „Ich finde, bevor wir nicht selbst
nachgesehen haben, geht die gar nichts an, was Merle da so drauf hat. Meinst du
nicht, dass sie ihr Zimmer durchwühlt haben, reicht fürs erste?“
    Er hatte keine Lust, dass fremde
Leute womöglich etwas über seine Ehe oder sein Verhältnis zu seiner Tochter
lasen, von dem er noch gar nichts wusste. Die Gedankenwelt von Teenagern hatte
ja nicht immer etwas mit der Realität zu tun. Cordula schien seine Worte
abzuwägen, äußerte sich aber nicht dazu, vielleicht weil sie denselben Gedanken
hatte. Stattdessen ging sie mit ihrer Tasse zum Fenster und sah nach
draußen.  
    „Was meinst du, woher Merle so viel
Geld hat?“ lenkte er von dem Computer ab.
    Er hatte nur fassungslos auf das
Bündel gesehen, das ihm dieser furchtbare Kripomann entgegen gehalten hatte.
Wie kam seine Tochter an solche Mengen Bargeld? Bei fünfzig Euro im Monat
konnte sie unmöglich so viel beiseite gelegt haben, vor allem nicht, nachdem er
ihren Schrank von innen gesehen hatte. Sie hatte irgendwo eine andere
Geldquelle. Ein Blick in das Gesicht des Mannes und ihm war klar, was der
dachte. Sicher nicht, dass sie das beim Zeitungen Austragen verdient hatte. Wenn
ein Mädchen in ihrem Alter solche Summen vor ihren Eltern versteckte, konnte
das nur eins bedeuten, doch Simon wollte das nicht so recht glauben. Wie sollte
sie das bewerkstelligt haben, wenn sie jeden Abend um acht Uhr zu Hause war?
Oder konnte sie auch nachmittags Kunden finden? Wo um alles in der Welt hätte
sie sich da anbieten können? Er wusste nicht einmal, wo es in Lübeck überhaupt
so was wie einen Strich gab, geschweige denn einen für Minderjährigen.
    Cordula drehte sich zu ihm herum
und hielt dabei ihre Tasse mit beiden Händen fest. „Ich weiß es nicht“, flüsterte
sie.
    „Und dir ist nie etwas
aufgefallen?“
    „Nein.“ Sie schüttelte ihren Kopf,
wobei sich eine Strähne aus ihrem schnell zusammengebundenen Zopf löste. Okay,
Merle war verschwunden, das entschuldigte sie, aber die Frisur, mit der sie
herumlief, wenn man es so nennen konnte, war äußerst verbesserungswürdig. Einen
richtigen Schnitt konnte er da nicht erkennen. Warum ließ sie sich nur so
gehen?
    „Ich hab schon gesehen, dass sie immer
mal was Neues anhat, aber sonst...?“
    Simon konnte die missbilligenden
Blicke der beiden Beamten sehr gut nachvollziehen. Natürlich fragten die sich,
warum die Eltern nichts davon mitbekamen, dass ihre einzige Tochter anscheinend
anschaffen ging und dabei allem Anschein nach ein Schweinegeld verdiente. Gut,
er arbeitete und sah seine Tochter nur abends, aber Cordula hätte doch etwas
merken müssen. Warum hatte sie das nicht? Ein leiser Verdacht beschlich ihn und
er musterte sie prüfend.
    „Und du bist dir ganz sicher, dass
du mir nichts zu sagen hast?“
    Sie riss die Augen auf. „Was denkst
du denn? Ich weiß nicht mehr als du.“
    Er verschränkte die Arme vor der
Brust. „Aber du räumst doch mal in ihrem Zimmer auf. Da muss dir doch mal
aufgefallen sein, dass da einfach zu viele Klamotten sind, die sie sich unmöglich
selbst leisten kann.“
    „Simon, bitte.“ Sie stellte die
Tasse ab und er sah, dass das Zittern in den Händen nicht aufgehört hatte. Sie
bemerkte es ebenfalls und verschränkte sie eilig hinter ihrem Rücken.
    „Du glaubst mir doch wohl, dass ich
dir alles sagen würde, wenn ich etwas wüsste.“ Ihre Augen füllten

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