Die Mädchen (German Edition)
los?“ polterte
eine Stimme und hinter dem Jungen tauchte ein Mann auf, der ohne Zweifel sein
Vater war. Er war groß, dunkelhaarig und hatte die gleichen blauen Augen.
Frohloff erhob sich und gesellte
sich zu Siewers. Er warf ihr einen Blick zu und rollte mit den Augen. Wenn das
so weiterging, waren sie morgen früh noch nicht fertig.
Judith kam zurück ins Wohnzimmer,
nachdem sie die beiden Beamten hinausbegleitet hatte.
„Sie sind weg, Gott sei Dank.“
Da sprach sie ihr aus der Seele.
Almut nickte. „Sag mal, hast du wirklich keine Ahnung, woher Sina das viele
Geld hatte?“
Judith schüttelte den Kopf. „Mir
hat sie nichts davon gesagt.“
Es war wirklich seltsam. Hatte
Marius es ihr gegeben? Aber wozu? Sie konnte sich eigentlich nicht vorstellen,
dass er einer Tochter Geld zukommen ließ und der anderen nicht. Vorausgesetzt,
Judith sagte die Wahrheit. Allerdings hatte sie da wenig Zweifel, so überrascht
wie sie ausgesehen hatte, als dieser Funke das Geld erwähnte. So eine gute
Schauspielerin war sie nicht.
Janine war eine andere Möglichkeit.
Sie konnte es ihr gegeben haben, weil sie verhindern wollte, dass Sina die
Sache mit der Misshandlung weiter vorantrieb. Wirklich daran glauben mochte sie
jedoch nicht. Sie hielt nicht viel von Janine, aber dass das einem
Schuldbekenntnis gleichkommen würde, wäre selbst dieser dummen Blondine klar
gewesen. Und wenn sie nichts getan hatte, warum sollte sie dann so etwas Blödes
tun? Schließlich hatten die Chancen gut gestanden, dass sich die Vorwürfe
schnell in Wohlgefallen auflösten.
Es stand Aussage gegen Aussage und
so furchtbar das auch war, aber nicht einmal sie als Sinas Mutter glaubte
ernsthaft daran, dass sich Janine gegenüber ihrer Tochter schuldig gemacht
hatte. Auch wenn Ninchen nicht gerade ein Ausbund an Intelligenz war, wusste
sie doch ganz genau, dass sie nichts tun durfte, was ihre Beziehung zu Marius gefährden
konnte. Und das Schlagen einer seiner Töchter stand an erster Stelle der
don’ts.
Aber es waren nicht nur solche
Rückschlüsse, die sie die Geschichte als unwahrscheinlich abtun ließen, sondern
vor allem das Verhalten ihrer Tochter. Sie hatte in den letzten Monaten wirklich
alle Register gezogen, auf sich aufmerksam zu machen, doch weder bei ihr noch
bei Marius war sie damit weit gekommen. Die Behauptung, Janine würde sie
misshandeln, passte da ins Bild, war sie doch nur eine konsequente Fortsetzung
der anderen Dinge, die sie schon unternommen hatte.
Außerdem war es ja nicht das erste
Mal, dass sie so etwas versucht hatte. Kurz nach der Trennung von Marius hatte
sie ihr weinend erzählt, dass sie Angst vor Birthe hätte, weil sie sie oft ohne
Abendbrot ins Bett schickte oder ihr den Hintern versohlt hatte. Letztendlich
stellte sich heraus, dass Sina sich das ausgedacht hatte, um ihre Mutter dazu
zu bringen, mehr zu Hause zu sein, aber es war darüber fast zum Bruch mit ihrer
Schwester gekommen. Dass Sina jetzt nicht sofort zu ihr oder zu Marius gegangen
war, sondern gleich bei der Polizei angerufen hatte, um Janine in Misskredit zu
bringen, bestärkte sie nur in dem Glauben, dass ihre Tochter log.
Die Geschichte von den blauen
Flecken hatte sie vorhin das erste Mal gehört. Auch der Polizist, der bei ihr
aufgetaucht war, hatte davon nichts erwähnt. Es hatte sie betroffen gemacht,
aber ihre Meinung nicht geändert. Sie war sicher, dass die Flecken eine andere
Ursache hatten. Hatte Sina sie sich womöglich absichtlich beigebracht? Sie
musste schlucken, wenn sie daran dachte, wie es in ihrer Tochter ausgesehen
haben musste, wenn sie zu solchen Mitteln gegriffen hatte. Oder war etwas ganz
anderes mit ihr geschehen und die ganze Sache nur ein Hilfeschrei? Sie mochte
gar nicht weiter denken, dass sie sich dann völlig falsch verhalten hatte. Mein
Gott, hätte sie Sina genauer zuhören müssen? Hätte sie vielleicht Schlimmeres
verhindern können?
Plötzlich fiel ihr ein, wie Sina
mal gefragt hatte, ob sie nicht zum Zuschauen kommen könnte, wenn sie am
Wochenende Handball spielte. Sie war daraufhin zu Anfang auch wirklich ein paar
Mal mit gewesen, eher lustlos, weil es sie nicht die Bohne interessierte, sie
aber ihre Tochter nicht enttäuschen wollte, doch Sina kam kaum zum Einsatz. Und
ihr Wochenende damit zu verbringen, fremden Kindern beim Handball zuzuschauen,
da konnte sie sich was Besseres vorstellen. Wenn sie in den letzten Wochen mehr
Interesse gezeigt hätte, ab und an mal bei einem Spiel aufgelaufen wäre,
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