Die Mädchen (German Edition)
vervollständigte das Bild. Es wirkte sehr teuer, aber gemütlich war was
anderes. Wenn die Einrichtung die Atmosphäre innerhalb der Familie
widerspiegelte, wollte er lieber kein Mitglied sein.
„Ihr Sohn hat Ihnen von Merle
erzählt?“ fragte Frohloff, während er sich auf das Sofa an der Wand setzte.
„Mein Sohn?“ Sie schüttelte den
Kopf und setzte sich auf den Sessel. „Nein, wieso? Herr Grothe, Merles Vater,
hat uns Bescheid gesagt, dass Merle verschwunden ist. Wo haben Sie sie denn gefunden?“
Frohloff machte eine
beschwichtigende Geste mit den Händen. „Moment, Frau Müller. Eins nach dem
anderen. Zunächst einmal haben wir Merle noch nicht gefunden.“
„Gott sei Dank.“ Sie atmete
sichtlich erleichtert auf. Dann stutzte sie. „Aber warum sind Sie dann hier?“
„Wir ermitteln in dem Mordfall an
einem anderen Mädchen und da gibt es gewisse Parallelen zum Verschwinden von
Merle Grothe.“
„Ein anderes Mädchen? Wie heißt
sie?“
„Sina Keller.“
„Der Name sagt mir gar nichts.“ Sie
sah regelrecht enttäuscht aus. „Ich glaube nicht, dass wir Ihnen da helfen
können.“
Frohloff konnte kaum noch zählen,
wie oft er diesen Satz schon gehört hatte. Und wie oft lagen die Leute mit
dieser Einschätzung total daneben.
„Sie erwähnten vorhin, dass Merles
Vater Ihnen gesagt hat, dass seine Tochter verschwunden ist.“
„Ja.“
„Warum?“
Sie seufzte. „Er wollte meinen Sohn
fragen, ob er irgendetwas weiß.“
„Und? Weiß er was?“
„Natürlich nicht.“
„Hat er das Herrn Grothe gesagt?“
„Ich hab Simon nicht mit Rouven
sprechen lassen.“
Frohloff wechselte einen Blick mit
Siewers. „Warum nicht?“
„Ich habe ihm gesagt, dass ich mit
Rouven sprechen werde und ihm dann Bescheid gebe.“
Das war keine Antwort auf seine
Frage, aber er ließ es ihr durchgehen. „Wir hätten jetzt aber gern mit Ihrem
Sohn gesprochen. Ist er zu Hause?“
„Aber er weiß doch nichts.“
„Mama?“
Der Kopf der Frau flog herum. Im
Türrahmen stand der dunkelhaarige Junge, der Frohloff in der Schule aufgefallen
war. Sie sprang auf und bewegte sich auf ihn zu. Misstrauisch sah er zu ihnen
herüber.
„Du hast Besuch?“
„Hallo Rouven“, rief Siewers ihm
zu.
„Warum ist die Polizei hier?“
Frohloff konnte die leichte Panik in der Stimme des Jungen heraushören.
Seine Mutter blieb vor ihm stehen.
„Woher weißt du, dass die beiden von der Polizei sind?“
„Wir waren heute Vormittag in der
Schule“, klärte Siewers sie auf. Sie stand auf und ging zu den beiden hin. „Du
brauchst keine Angst zu haben“, sagte sie zu dem Jungen. „Wir haben nur ein
paar Fragen an dich.“
„Muss ich mit ihnen reden, Mama?“
Frohloff gratulierte sich innerlich
selbst. Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht, wie so oft. Der Junge wusste
etwas, das war klar. Er hatte den gleichen schuldbewussten Ausdruck im Gesicht,
den er schon in der Schule bemerkt hatte. Und warum zierte er sich sonst so,
mit ihnen zu sprechen, wenn er nicht etwas vor ihnen verbergen wollte?
Die Reaktion der Mutter sprach
Bände. Sie wusste genau, dass ihr Sohn etwas verheimlichte. Sie stellte sich
schützend vor ihn und legte den Arm um ihn.
„Ich denke, es ist das Beste, wenn
Sie ein anderes Mal wiederkommen. Sie sehen ja, wie verstört er ist.“
Genau. Damit du erst mal selbst herausfindest,
was ihn beschäftigt und dann entscheidest, was er uns sagen soll.
„Tut mir leid“, sagte er. „Aber das
geht auf keinen Fall. Wir untersuchen den Mord an einem jungen Mädchen und ein
anderes junges Mädchen ist verschwunden. Wir haben für solche Befindlichkeiten
keine Zeit.“
„Aber Rouven ist erst vierzehn.
Dürfen Sie ihn überhaupt ohne meine Zustimmung befragen?“
Eine gute Frage, aber wenn sie
gehofft hatte, Frohloff auf dem falschen Fuß zu erwischen, war sie schief
gewickelt. „Dürfen wir. Wir brauchen keine Einwilligung von Ihnen, wenn wir
Ihren Sohn vernehmen. Er hat das Recht darauf, Sie als seine Mutter dabei zu
haben, mehr nicht. Wir werden ihn also jetzt befragen. Anderenfalls müssen wir
uns mit der Frage beschäftigen, warum Sie unsere Arbeit unbedingt behindern
wollen und uns wertvolle Zeit kosten, die wir darauf verwenden könnten, das
Mädchen zu finden. Ich denke, auch Herr Grothe hätte dafür wenig Verständnis.“
Das saß. Frau Müller zuckte zurück
und beugte sich anschließend zu ihrem Sohn hinunter. „Du hast gehört, was der
Mann gesagt hat.“
„Was ist denn hier
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