Die Mädchen (German Edition)
wie eine Mutter um ihre kleine
Schwester gekümmert. Und das war nicht so einfach. Als Jugendliche war Birthe
ziemlich wild, also die hatte das echt faustdick hinter den Ohren. Da war auch
mal was mit einem ganz üblen Jungen, der dann sogar ins Gefängnis gekommen ist.
Aber später hat sie dann die Kurve gekriegt. Sie kümmert sich viel um die
beiden Mädchen, zum Teil bestimmt aus Dankbarkeit ihrer Schwester gegenüber.
Andererseits kriegt sie auch Geld von Marius.“
Dafür, dass sie erst gar nichts
sagen wollte, redete sie jetzt wie ein Wasserfall. Wenn das damit zu tun hatte,
dass er schwul und somit für sie ein verwandtes Wesen war, sollte ihm das nur
recht sein, auch wenn er selbst jede Ähnlichkeit weit von sich gewiesen hätte.
„Sie ist doch verheiratet. Was sagt
ihr Mann dazu, dass sie sich so um die Mädchen kümmert?“
Er hatte ihre Andeutung, die sie am
Morgen über Birthes Mann gemacht hatte, nicht vergessen.
„Ole hasst Almut, soviel steht
fest. Und umgekehrt ist das genauso. Almut war damals gegen die Hochzeit
gewesen und hatte dies auch vehement vor beiden vertreten. Birthe hat nicht auf
sie gehört, aber Ole hat das nicht vergessen. Gegen die Mädchen hat er nichts,
soweit ich das beurteilen kann. Und ich wette, gegen das Geld seines Schwagers
auch nicht.“
Sie war eine Meisterin der spitzen
Bemerkungen. „Sie mögen ihn auch nicht besonders.“
„Nein. Und auch das beruht auf
Gegenseitigkeit. Er ist jemand, der Frauen und jungen Mädchen hinterher starrt
und das geht gar nicht. Ich bin ihn deswegen schon ein paar Mal hart angegangen
und das hat ihm gar nicht gefallen.“
Er sah Mädchen nach? Vielleicht
auch ganz jungen? Glen machte sich in Gedanken eine Notiz, bei dem genauer
nachzuhaken. Na, die Liste derjenigen, die Frau Ludwig nicht mochte und umgekehrt,
schien ziemlich lang zu werden. Glen konnte sich nicht helfen, aber im Stillen
fühlte er sich solidarisch mit all den anderen. Frau Ludwig hatte nicht
wirklich etwas an sich, das einen für sie einnehmen konnte.
„Wenn Sie die Familie so gut
kennen, dann können Sie mir bestimmt auch etwas über Frau Wrede sagen.“
„Ninchen?“ Verächtlicher konnte sie
kaum klingen. „Aber sicher. Blondes Stroh auf zwei langen Beinen. Die ist
bestimmt mächtig froh, dass sie es nur noch mit einem Mädchen aufnehmen muss.“
„Die Mädchen und Frau Wrede kamen
nicht miteinander aus?“
„Das wäre noch geschönt. Sie haben
sich gehasst. Besonders Sina und sie. Wissen Sie, dass es da ein Verfahren
geben sollte?“
„Ein Verfahren?“
Sie rollte mit den Augen, als
wollte sie ihr Unverständnis darüber ausdrücken, wie man nur so schwer von
Begriff sein konnte. Er nahm es mit Humor.
„Vor Gericht. Sina hat behauptet,
dass sie regelmäßig von Janine misshandelt wurde.“
Die Frau, die ihnen die Tür
öffnete, war mittelgroß, schlank und hatte schulterlanges, blondes Haar.
Frohloff schätzte sie auf Anfang Vierzig und konnte sich gut vorstellen, wie
schön sie als junges Mädchen gewesen sein mochte. Sie war noch immer ungemein
attraktiv. Sie hatte eine breite Stirn und hohe Wangenknochen, was sie leicht
aristokratisch wirken ließ. Ihr Mund war schmal und trug nur einen Hauch eines
rosafarbenen Lippenstifts. Sie trug eine weiße Bluse und eine helle Jeans und
um den Hals eine goldene Kette, für die er sicher mehrere Monate hätte arbeiten
müssen, um sie für Johanna kaufen zu können. Ihre gesamte Erscheinung ließ
keinen Zweifel aufkommen, dass sie aus gutem Hause kam. Bei ihrem Anblick zog
sie die Augenbrauen hoch, was ihrem Gesicht einen spöttischen Ausdruck verlieh.
„Frau Müller?“
„Ja.“
„Wir sind Kommissarin Siewers und
Oberkommissar Frohloff von der Mordkommission. Dürften wir wohl einen Moment
hereinkommen?“
„Mordkommission?“ entfuhr es ihr
und sie schlug die Hand vor den Mund. „Mein Gott, haben Sie Merle gefunden?“
Sie riss die Tür ganz auf. „Entschuldigung, kommen Sie bitte herein.“
Frohloff folgte Siewers ins Haus.
Frau Müller schloss die Tür hinter ihnen und ging ihnen dann voran ins
Wohnzimmer, das Frohloff geradezu riesig erschien. Es war mit dunklem Parkett
ausgelegt und spärlich eingerichtet, was den Eindruck eines Ballsaales noch
verstärkte. Außer einer Sitzecke mit zwei Sofas und einem Sessel aus
dunkelbraunem Leder und einem ebenfalls dunkelbraunem Holztisch gab es nur noch
ein Regal mit einem enorm großen Flachbildfernseher. Ein Kronleuchter über dem
Tisch
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