Die Mädchen (German Edition)
„Deshalb hat
sie sich auch mit Sina gestritten. Sie meinte, dass sie damit zu weit gegangen
war. Aber dann hat Sina ihr in allen Einzelheiten beschrieben, wie es dazu gekommen
ist und da war Judith sich nicht mehr so sicher.“
„Und? Was ist passiert?“
„Hier und da soll sie ihr immer mal
wieder eine Ohrfeige gegeben haben, wenn ihr was nicht gepasst hat.“
„Aber erzählt hat sie niemandem
davon?“ Die Skepsis in Siewers’ Stimme war nicht zu überhören.
„Das ist es eben. Aber beim letzten
Mal soll es nicht bei einer Ohrfeige geblieben sein. Die Wrede soll sich
richtig in Rage geprügelt haben.“
„Und das ist keinem aufgefallen?“
„Sina hat Judith ein paar blaue
Flecken gezeigt, die sie an den Armen und am Handgelenk hatte. Die Wrede soll
ihr das umgedreht haben.“
„Starker Tobak.“
„Gibt es denn eine Akte über die
Anzeige?“
Behrend nickte. „Gibt es. Haben wir
sofort überprüft, nachdem wir dort weg waren. Sina Keller hat tatsächlich
behauptet, von der Wrede misshandelt worden zu sein. Allerdings ist in der Anzeige
von blauen Flecken nicht die Rede. Und ein Verfahren, wie die Ludwig sagt, ist
bislang noch nicht eingeleitet worden.“
„Hat sich die Wrede zu den
Vorwürfen geäußert?“
„Hat alles abgestritten. Sie hat
lediglich von einer Auseinandersetzung gesprochen, die es wegen ihres Schmucks
gab, an dem Sina ohne zu fragen bedient hat. Aber sie behauptet, sie hätte sie
niemals angerührt.“
„Also steht Aussage gegen Aussage.“
„Ja. Eigentlich sieht alles danach
aus, als ob Sina sich das ausgedacht hat, um der Wrede eins auszuwischen.
Nur...“
„Wo kamen dann die blauen Flecken
her?“ vollendete Frohloff Behrends Überlegungen.
„Eben.“
„Dann bin ich auf Brauns
endgültigen Bericht gespannt. Vielleicht entdeckt er ja irgendwelche Anzeichen
früherer Verletzungen oder Prellungen.“
„Dann sollten wir uns noch mal mit
der Wrede befassen. Mal sehen, was sie zu Sinas Vorwürfen sagt. Und Sinas Vater
können wir auch gleich noch danach fragen.“
„Wenn wir davon ausgehen, dass Sina
ihren Mörder irgendwie gekannt hat und es kein Sexualdelikt im herkömmlichen
Sinne ist, steht Bent ganz oben auf der Liste. Bent Masio, der Freund der
Schwester.“
Behrend erzählte dass sowohl Frau
Ludwig als auch Herr Retzlaff unabhängig voneinander Bent mit Sina zusammen
beobachtet hatten.
Frohloff nickte. „Das bestätigt nur
das, was die Wrede schon vermutet hat. Habt ihr diesen Bent denn schon kennen
gelernt?“
„Hätten wir gerne, war aber leider
nicht zu Hause. Aber den werden wir uns morgen sofort vorknöpfen.“
„Wenn er nicht absichtlich
untergetaucht ist.“
„Vielleicht. Aber heute Morgen hat
er noch bei seiner Freundin übernachtet. So eilig hat er es also nicht gehabt.“
„Wart ihr nicht auch bei Birthe und
ihrem Mann?“
„Ja. Aber da gab es nicht wirklich
etwas Besonderes, oder was meinst du, Holger?“
Funke schüttelte den Kopf. „Frau
Ludwig hatte Glen gegenüber zwar angedeutet, dass Retzlaff junge Mädchen wohl
ganz gern mag, aber die beiden machten einen ganz harmonischen Eindruck
zusammen. Sie haben sich gegenseitig ein Alibi gegeben. Okay, sie sind
verheiratet, also heißt das nicht viel. Aber ob sie ihren Mann decken würde,
wenn der ihre Nichte auf dem Gewissen hat? Ich weiß nicht. Vielleicht sollten
wir der Bemerkung auch nicht zu viel Bedeutung beimessen.“
„Aber ihr könntet zumindest mal
Almut oder Judith Keller fragen, ob ihnen was aufgefallen ist. Ich meine, wie
Retzlaff mit Sina umgegangen ist oder so.“
„Das werden wir.“ Funke sah auf
seine Notizen. „Tja, und dann wäre da nach wie vor das Geld. Keiner weiß angeblich,
woher das stammt, aber die Ludwig vermutet, dass das was mit Bent zu tun hat.“
Der Name tauchte immer wieder auf.
Langsam wurde Frohloff wirklich neugierig auf den Burschen. „Also am liebsten
würde ich mir den gleich noch angucken.“
Funke sah jetzt selbst auf die Uhr.
„Es ist gleich neun. Ihr wärt also nicht vor zehn da. Ich weiß nicht, ich
finde, es ist reichlich spät dafür. Es ist ja nicht so, dass er dringend
tatverdächtig ist. Wir wollen ihn lieber nicht gleich verschrecken. Glen und
ich werden ihn uns morgen früh gleich als erstes vorknöpfen. Jetzt, wo Merle
Grothe außer Gefahr ist, brauchen wir uns nicht unbedingt die Nächte um die
Ohren zu schlagen.“
Frohloff zuckte mit den Achseln.
Ihm hätte es nichts ausgemacht, noch etwas länger zu arbeiten.
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