Die Mädchen (German Edition)
häufiger hier gegessen. Currywurst, Bauernfrühstück und
Sauerfleisch waren sehr zu empfehlen.
Frau Siewers nahm einen Schluck aus
ihrem Glas. „Ich sage es Ihnen lieber gleich. Ich fühl mich irgendwie nicht
wohl dabei, dass ich auf ihren Vorschlag eingegangen bin. Ich möchte das hier
so schnell wie möglich hinter mich bringen. Und dann möchte ich in Ruhe zu
Abend essen."
Sollte heißen, sie sollte sich
möglichst fix vom Acker machen. Luisa nickte langsam. „Schön, dass Sie so offen
sind."
Frau Siewers zuckte mit den
Achseln. Luisa nutzte den Moment, um sich ihre Kontrahentin mal von dichtem
anzusehen. Sie war hübsch, nein, falsch, sie war sogar schön und ihr doch nicht
ganz so ähnlich, wie zunächst angenommen. Sie war derselbe Typ, das ja, die
gleiche Haarfarbe, der gleiche Teint, aber in den Feinheiten gab es doch
deutliche Unterscheidungsmerkmale. Frau Siewers' Gesicht war ovaler als ihres.
Ihre Augen waren zwar ebenfalls blau, aber nicht ganz so klar wie ihre, was sie
nicht ohne Genugtuung feststellte. Ihre Nase war etwas kleiner, dafür der Mund
ein wenig breiter. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und machte mit
ihrer gesamten Haltung deutlich, dass sie sie nicht an sich heran lassen
wollte.
„Also, was wollen Sie von mir?
Warum haben Sie darauf bestanden, dass wir uns sehen?"
Das war Luisa plötzlich auch nicht
mehr so klar. „Sie sollen wissen, dass ich aufgebe."
Frau Siewers zog erstaunt die
Augenbrauen hoch. „Sie geben auf? Was meinen Sie?"
„Kommen Sie, das wissen Sie doch
genau. Timo. Sie können ihn haben. Ich komme gegen Sie ohnehin nicht an."
Die Bedienung, eine etwas füllige
Frau Ende dreißig mit offenem Gesicht und geflochtenem Zopf, blieb an ihrem
Tisch stehen. „Was kann ich Ihnen bringen?“
„Eine Cola light“, sagte Luisa.
„Möchten Sie die Karte?“
„Nein, danke. Ich möchte nichts
essen.“
Sie verschwand und Luisa wandte
sich wieder ihrem Gegenüber zu, die sichtlich ungeduldig war.
„Ich verstehe Sie nicht. Wenn Sie
Probleme mit Timo haben, warum kommen Sie zu mir?“
„Sie sind das Problem. Deshalb
bitte ich Sie, nehmen Sie ihn einfach zurück. Dann ist für mich diese Farce
beendet.“
Frau Siewers musterte sie
nachdenklich, während sie einen Schluck Apfelschorle trank. „Wer sagt Ihnen
denn, dass ich ihn überhaupt will?"
So eine Antwort hatte Luisa
befürchtet. Wenn die Siewers die Beziehung beendet hatte, machte Timos
Verhalten nur umso mehr Sinn.
„Da hatte ich neulich im Flur aber
einen anderen Eindruck."
Siewers wich ihrem Blick verlegen
aus. „Dass Sie das jetzt ansprechen, ist mir, ehrlich gesagt, ganz schön
peinlich. Ich hatte etwas zuviel getrunken. Da sagt man schon mal Dinge, die
man nicht so meint."
„Aber Ihnen war sofort klar, warum
Timo mit mir zusammen ist. Und ich kann leider nicht damit leben, die zweite
Wahl zu sein."
Sie winkte ab. „Ich glaube, Sie
messen dem Ganzen zuviel Bedeutung bei. Was hat Timo denn über mich erzählt?"
„Gar nichts."
„Oh."
„Genau. Wie auch immer. Jedenfalls
scheinen sie beide noch nicht miteinander fertig zu sein. Sie sollten das auf
jeden Fall klären und vielleicht ist gerade jetzt ein guter Zeitpunkt
dafür."
Die Bedienung war zurück und
stellte ein 0,2 l Glas vor sie hin. Sie bedankte sich artig dafür.
„Wieso gerade jetzt?" fragte
die Siewers, als sie wieder ungestört waren.
„Sein Vater ist gestorben.“
Ihre Reaktion zeigte Luisa, dass
sie nichts davon gewusst hatte. „Was? Mein Gott, das tut mir leid. War er
krank?“
Luisa nippte ein wenig an ihrer
Cola. Na, mit Kohlensäure hätte sie besser geschmeckt. Wahrscheinlich hatte sie
wieder mal den Rest aus einer Flasche bekommen, die schon seit einem Tag offen
herumgestanden hatte. Prima! Eigentlich eine Unverschämtheit, einem so etwas anzubieten,
auch wenn das hier sonst noch nie vorgekommen war. Normalerweise hätte sie das
Getränk zurückgegeben, aber heute hatte sie andere Sorgen. Na, zumindest war
die Cola schön kalt.
„Er hatte einen Schlaganfall und
ist letztes Wochenende gestorben, ohne dass er aus dem Koma aufgewacht ist.“
„Furchtbar.“ Und sie sah auch
betroffen aus. „Aber ich verstehe nicht, was ich damit zu tun haben soll.“
„Ich denke, dass Timo jetzt eine
Freundin gut gebrauchen kann. Und mich will er nicht. Morgen ist die Beerdigung
und vielleicht wäre es gut, wenn Sie ihn begleiten."
„Warum sollte ich das tun? Ich
kannte seinen Vater doch gar nicht.“
Das traf sie
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