Die Mädchen (German Edition)
fragte er, nachdem er aufgelegt hatte, und machte eine Show daraus,
sich umzusehen.
„Computer? Ich hab gar keinen.“
Funke musterte ihn zweifelnd. „Nicht
einmal ein Laptop?“
„Nein.“
Wie glaubwürdig war das denn in der
heutigen Zeit, in der niemand ohne Internet auskam? Er ließ es für den Moment
dabei bewenden, machte sich in Gedanken aber eine Notiz, an anderer Stelle
nachzuhaken.
„Sie sind nicht besonders gut bei
den Kellers angekommen, oder?“ wechselte er beiläufig das Thema.
Masio blieb unbeeindruckt. „Weil
die alle hysterisch sind. Drehen durch, wenn sich ihren Prinzessinnen auch nur
jemand nähert.“
„Ach, ich glaube, bei anderen wäre
das nicht so schlimm gewesen. Sie waren das Problem.“
„Das war uns egal.“
Behrend hatte gute Ohren. „War?“
„Ist“, beeilte sich Masio, aber der
Schaden war angerichtet.
„Seit wann ist es mit Judith aus?“
„Sie nerven, wissen Sie das
eigentlich?“
Beide grinsten ihn an. „Das ist
unser Job“, sagte Funke. „Und glauben Sie mir, wir können noch ganz anders.“
„Das kann ich mir vorstellen“,
murmelte er in sich hinein. Nach einem Räuspern wurde er wieder lauter.
„Offiziell ist es nicht vorbei. Aber ich hab für mich die Entscheidung
getroffen, dass es zu Ende ist.“
„Soll heißen, Judith weiß es noch
nicht.“
„Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn
Sie es ihr auch noch nicht erzählen. Das würde ich gern selbst erledigen.“
„Kein Problem. Warum ist es für Sie
vorbei? Hat es etwas mit Sinas Tod zu tun?“
„Nein, nein. Überhaupt nicht. Ich
wäre nur gern wieder solo.“
Funke schüttelte den Kopf. „Sie
haben Judith benutzt, um an Sina heranzukommen. Und jetzt, da Sina tot ist,
brauchen Sie Judith auch nicht mehr.“
Es war ihm gerade so in den Sinn
gekommen. Frau Ludwig hatte gesagt, dass Bent illegale Dinge tat. Vielleicht
war es ja wirklich so, dass er Sina als Lockvogel benutzt hatte, um Männer zu erpressen.
„Ich denke, ich sage jetzt gar
nichts mehr.“
Rouven Müller fielen fast die Augen
zu. Dieser Typ war aber auch zu langweilig. Warum hatten sie Herrn Tenfelde
nicht in der vierten Stunde oder so, zu einer Zeit, in der man nicht so schnell
Gefahr lief, einzupennen? Aber wahrscheinlich wäre das auch egal gewesen. Mann,
wie sehnte er seine alte Geschichtslehrerin herbei. Der hier tötete mit seinem
Dozieren jegliches Interesse an vergangenen Geschehnissen ab. Man konnte
meinen, Tenfelde war kurz vor der Rente, wie er die Stunden aufzog, dabei war
er höchstens dreißig. Wie der wohl seine Prüfung bestanden hatte?
Das Klopfen an der Tür ließ Rouven
zusammenzucken.
„Herein“, rief Tenfelde, ein
starker Kontrast zu seinem monotonen Unterrichtsgelaber.
Die Tür ging auf und Rouven fielen
beinahe die Augen aus dem Kopf. Merle. Auf einmal war er hellwach.
„Entschuldigen Sie bitte die
Verspätung, Herr Tenfelde“, sagte sie mit dem für sie so typischen
Augenaufschlag. „Ich habe den Bus verpasst.“
Gelogen. Merle kam nie mit dem Bus
zur Schule.
Tenfelde nickte. „Ist okay. Setz
dich bitte.“
Merle lächelte ihn zuckersüß an,
während sie an ihm vorbeiging, und setzte sich auf ihren Platz neben
Jacqueline.
„Wo waren wir?“ Tenfelde runzelte
die Stirn.
Wir? Rouven konnte sich
nicht erinnern, dass sich irgendjemand in dieser Stunde am Unterrichtsgeschehen
beteiligt hatte.
„Ach ja.“ Und schon ging es weiter.
Er sah auf seine
Armbanduhr und musste ein Stöhnen unterdrücken. Noch zwanzig Minuten bis zur
kleinen Pause. Er warf einen verstohlenen Blick zu Merle hinüber, die ungerührt
mit verschränkten Armen in ihrem Stuhl lehnte und nach vorne zum Lehrerpult
sah. Na, die hatte Nerven. Wusste sie nicht, dass ihretwegen alles in heller Aufregung
war? Dass die Polizei bereits hier gewesen war?
Wenn er daran dachte, was er seinem
Vater ihretwegen unterstellt hatte, wurde ihm schlecht. Und alles für gar
nichts. Ihre Eltern mussten ihr doch gesagt haben, dass sie als verschwunden
gemeldet war und dass die Polizei in ihrem Umfeld ermittelte. Wie konnte sie da
so unbeteiligt aussehen? Wie sie so dasaß, als ob gar nichts vorgefallen war,
hätte er ihr am liebsten eine gedrückt. Womöglich genoss sie den Trubel auch
noch, zuzutrauen war es ihr. Andererseits, vielleicht war sie auch überhaupt
noch nicht zu Hause gewesen. Das war dann allerdings noch eine Spur härter.
Ihre Eltern wurden verrückt vor Sorge und sie saß schon wieder seelenruhig in
der Schule.
Er
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