Die Mädchen (German Edition)
Hände
gestützt, hatte er dort gesessen und gegrübelt, wie er mit seiner eben erlebten
Schmach umgehen sollte. Am liebsten wäre er gar nicht mehr zur Party
zurückgegangen und hätte sich zu Hause unter der Bettdecke vergraben, aber erstens
hatte er noch seinen Rucksack dort und zweitens würde er sich dann erst recht
zum Gespött aller machen. Er musste sich also zusammenreißen und sich wieder in
die Höhle des Löwen begeben.
Als er den Raum betrat, spielte die
Musik mit unveränderter Lautstärke. Einige Schüler tanzten ausgelassen, andere
saßen an Tischen oder auf Bänken, aßen etwas und unterhielten sich, so gut es
bei dem Krach eben ging. Er atmete tief durch und ging zu seinem alten Platz,
wobei er an mehreren Tischen vorbeigehen musste. An einem sah er Merle, die ihm
lachend zuprostete, und alle Mädchen, die sich um sie herum versammelt hatten,
konnte er kichern sehen. Super! Wenn sie das Schauspiel auf der Tanzfläche
nicht miterlebt hatten, hatte Merle bestimmt dafür gesorgt, dass sie jetzt im
Bilde waren. Mit gefühlt hochrotem Kopf setzte er sich auf die Bank, auf der er
auch zuvor gesessen hatte und versuchte, die Mädchengruppe zu ignorieren. Er
wusste, dass das alles nicht viel nutzen würde, denn spätestens am nächsten
Morgen würden alle wissen, dass er beim Tanzen einen Steifen bekommen hatte.
Peinlicher ging es echt nicht. Hätte man ihm einen Platz an einer anderen
Schule angeboten, er hätte ohne zu zögern sofort zugegriffen.
Die nächsten zwei Wochen
waren genauso hart gewesen, wie er erwartet hatte. Es hatte sich in kürzester
Zeit wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Ständig wurden Witze über ihn gerissen,
hinter vorgehaltener Hand über ihn getuschelt oder ganz offen über ihn gelacht.
Es war schlimm, aber er hatte sich dennoch unbeeindruckt gezeigt, alles mit zur
Schau gestellter Gelassenheit ertragen, obwohl er innerlich oft nahe am
Ausflippen gewesen war. Aber er sagte sich, je mehr er darauf reagierte, umso
länger würde es den anderen Spaß machen, auf seinen Gefühlen herumzutrampeln.
Und er hatte Recht, denn irgendwann ebbte es ab, andere Themen wurden
interessanter und schließlich konnte er wieder über den Schulhof gehen, ohne zu
befürchten, Zielscheibe eines Lästermauls zu werden.
Aber er hatte Merle nicht
vergessen, was sie ihm angetan hatte. Er wusste noch nicht, ob er es ihr
irgendwann heimzahlen konnte, aber er würde sich von ihr nicht noch einmal zum
Gespött machen lassen, soviel stand fest.
Der Kundenparkplatz vor Bernies PC
Shop war besetzt und so bog Funke mit dem Wagen rechts in die Einsiedelstraße
ab, damit er ihn auf dem Parkplatz vor dem Büroartikelgroßmarkt Staples
abstellen konnte. Er ließ den Gegenverkehr durch und fuhr dann links auf den
Platz. Er passierte das Solarium, das im selben Komplex untergebracht war, und
fuhr ganz nach vorne, sodass er den Wagen dicht neben einer Treppe parken
konnte, die hoch zur Schwartauer Allee führte. An jeder Parklücke war ein
Schild angebracht, auf dem zu lesen war, dass die erlaubte Parkzeit für jeden
Kunden höchstens eine Stunde betrug.
„Müssen wir eine Parkscheibe
reinlegen?“ fragte Behrend.
„Pff..“, machte Funke. „Die sollen
sich mal nicht so anstellen.“
Sie verließen das Fahrzeug, gingen
die Treppe hoch und warteten anschließend an der Ampel, dass sie für die
Fußgänger grün anzeigte. Sie mussten verhältnismäßig lange warten, denn diese
Stelle ist ein großer Verkehrsknotenpunkt in Lübeck. Zum einen gelangen die
Autofahrer an dieser Kreuzung zur Nordtangente, über die man nach Travemünde
oder Mecklenburg-Vorpommern kommt. In der gegenüberliegenden Richtung erreicht
man die A1 nach Fehmarn oder Hamburg. Auf der Schwartauer Allee schließlich
gelangt man einerseits ins Lübecker Zentrum und andererseits nach Bad
Schwartau. Es sind daher ziemlich viele Schaltungen abzuwarten. Durch den vielen
Verkehr war es sehr laut und Funke hatte wenig Lust, mit Behrend Smalltalk zu
machen. Sie hatten schon im Büro, bevor sie zu Masio unterwegs waren, und dann
auf der Fahrt hierher über Andresens Aussage gesprochen, sodass eine erneute
Abstimmung nicht nötig war. Aber das war es ohnehin selten, denn Behrend
verfügte über einen guten Instinkt, wann er in Befragungen eingreifen sollte
und wann lieber nicht. Nur einer der Gründe, warum er für Funke den geeigneten
Partner darstellte.
Sie gingen über die Kreuzung, nur
um an der nächsten Ampel wieder zu stehen, aber
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