Die Mädchen (German Edition)
sein
Schneckenhaus zurückgezogen.
Es war, als ob er drei Schritte zurück machte,
sobald sie einen auf ihn zu gemacht hatte.
Er schüttelte den Kopf. „Mein Vater
wollte eine Beerdigung im allerengsten Kreis. Außer mir und meiner Mutter wird
noch meine Tante da sein und das war’s.“
Sie verkniff sich eine passende
Antwort. Dass sein Vater diesen Wunsch gegenüber seiner Frau geäußert hatte,
wusste sie bereits, obwohl sie sich trotzdem gewundert hatte, dass keine Todesanzeige
in der Zeitung geschaltet wurde. Immerhin war er ein angesehener Anwalt in der
Stadt, trotz seiner fast siebzig Jahre immer noch tätig, dessen Mandanten doch
wohl das Recht hatten zu erfahren, dass er gestorben war. Als Timo ihr sagte,
dass der Termin geheim gehalten werden sollte, hatte sie es hingenommen, in der
irrigen Annahme, dass sie als seine Freundin ja wohl zum engsten Kreis gehören
würde und von seinem Vater sicher nicht gemeint war. Sie war deshalb aus allen
Wolken gefallen, als Timo ihr
nach
dem Aufstehen
eröffnete, dass er allein zur Trauerfeier gehen würde, um
den Wunsch seines Vaters zu respektieren.
Es war, als hätte er sie geohrfeigt.
Natürlich war es selbstverständlich
für sie gewesen, dass sie ihn begleitete
, a
uch wenn sein Vater noch so sehr auf eine intime
Feier bestanden hatte
.
Es war ein schwerer Gang, da musste sie ihm doch
einfach beistehen und dafür hätte auch sein Vater Verständnis gehabt. Aber
darum ging es ja auch nicht.
Sie wusste, dass
der Wunsch seines Vaters
das nicht der Grund
dafür war, dass er sie nicht an seiner Seite haben wollte, sondern dass er sich
seiner Gefühle für sie nicht sicher war. Sie hatte nicht dieselbe Bedeutung für
ihn wie er für sie und er verstand nicht, dass sie einfach für ihn da sein
wollte. Aber sie hatte inzwischen aufgehört zu betteln. Wenn er sie nicht
dabeihaben wollte, bitte sehr. Es verletzte sie, aber sie würde sich nicht
weiter demütigen lassen, indem sie ihm nachlief. Das hatte sie einmal getan, im
Krankenhaus damals, und sie hatte ihre Lektion daraus gelernt.
„Holst du deine Mutter ab?“
„Sie kommt mit meiner Tante.“
„Ist sie immer noch sauer?“
Sie wusste, dass Timo seit dem
Zusammentreffen im Krankenhaus mehrmals ein klärendes Gespräch mit seiner
Mutter versucht hatte, aber sie hatte es nicht zugelassen. Nach außen hin tat
sie so, als hätte es den Vorfall nie gegeben.
„Ganz sicher, auch wenn sie es
nicht zeigt. Jemand anderes würde nichts merken, aber mir kann sie nichts
vormachen.“
„Du hast also immer noch nicht mit ihr geredet.“
„Nein. Ich hätte es fast getan, aber immer wenn ich
loslegen will, lenkt sie ab.
“
Luisa schüttelte den Kopf. „
I
i ch verstehe
wirklich
nicht, warum
ihr es euch
sie es sich und
dir so schwer macht. Du hast es dir ja nicht ausgesucht, dass dein
Vater mit dir reden wollte und nicht mit ihr.
Redet doch einfach mal miteinander.
“
Noch während sie sprach, merkte
sie, dass sie einen Fehler beging. Sie mischte sich in seine Angelegenheiten.
„Klar, dass du das nicht
verstehst“, sagte er emotionslos. „Du kennst eben meine Mutter nicht.“
Sie hätte ihn anschreien mögen, und
an wem liegt das?, aber sie hielt sich zurück, wie immer. Wie
sollte sie seine Mutter kennen lernen, wenn er ihr nicht die Gelegenheit dazu
gab?
Timo erkannte anscheinend, dass er
sie zu heftig angefahren hatte und schaltete einen Gang runter. „Sie fühlt sich
gedemütigt, weißt du. Mein Vater hat sie nicht sehen wollen und das hat der
Arzt mitbekommen und du ebenfalls.“
Nahm er sie deshalb nicht mit? Weil
er seine Mutter nicht verärgern wollte?
„Für meine Mutter ist das äußere
Erscheinungsbild sehr wichtig. Für sie steht Haltung bewahren an erster Stelle.
Die heile Familie, die glückliche Ehe, das war besonders nach außen von immenser
Bedeutung. Immer darauf bedacht, dass die Fassade keinen Riss bekommt.“
„Und das hat sie im Krankenhaus.“
„Für sie ja. Was soll der Arzt von
ihrer Ehe denken? Was denkt diese wildfremde Frau, die ihr Sohn da angeschleppt
hat, über sie?“
Schlimm, wenn man sich selbst in
solch ein gesellschaftliches Korsett gezwängt hatte.
„Und dann fragt sie sich sicher
unaufhörlich, was sie falsch gemacht hat, dass mein Vater nicht mit ihr
sprechen wollte.“
„Na, das könnte sie ja aus der Welt
schaffen, indem sie mit dir redet.“
„Da bin ich mir nicht so sicher.
Ich hab ja schon versucht, ihr zu erklären, dass das nichts mit ihr zu
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