Die Mädchen (German Edition)
Schritt auf ihn zu
und strich ihm über den Arm. Mehr traute sie sich nicht. „ A ber wenn du mich
wirklich lieben würdest, könntest du das.“
„Du machst einen Fehler, wenn du
jetzt gehst.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Du
machst einen, wenn du versuchst, mich daran zu hindern. Glaub mir, es ist das
Beste für uns beide, wenn wir es heute beenden.“
Wenn sie nur innerlich genauso
überzeugt von dem gewesen wäre, was sie sagte. Aber ein Teil in ihr schrie nach
ihm, bettelte ihn an, sie nicht gehen zu lassen. Und wer wusste es schon?
Vielleicht wäre sie dann geblieben. Aber er hörte auf ihre Worte.
Sie nahm den Rucksack und ging an
ihm vorbei. Er hielt sie am Arm fest und ihr blieb fast das Herz stehen. Sie
drehte ihr Gesicht zu ihm und sah in seinen traurigen Augen, dass er verstand.
Es war endgültig vorbei.
„Luisa“, sagte er, als sie den
Türknauf schon in der Hand hielt.
„Ja?“
„Was soll ich tun?“
„Such dir jemanden, mit dem du über
alles reden kannst.“
„Aber wenn ich das nicht mit dir
tun kann, mit wem soll ich es dann können?“
Sie starrte ihn an. „Sag mir jetzt
bitte nicht, dass du das nicht weißt. Sie wohnt doch unter dir.“
Damit zog sie die Tür auf und
schloss sie hinter sich. Sie ärgerte sich über sich selbst. Sie hatte Doreen
nicht erwähnen wollen, aber dann konnte sie doch nicht anders. Sie hastete die
Treppe hinunter, aus dem Haus in ihren Wagen. Sie startete ihn und raste davon.
Sie sah im Rückspi e gel ihr tränenverschmiertes Gesicht
und wunderte sich darüber. Dass sie weinte, hatte sie noch gar nicht gemerkt.
Jetzt war es vorbei. Und sie hatte es sogar schon mit ihm geklärt. Eigentlich
hätte sie erleichtert sein müssen, aber alles, was sie fühlte, war Trauer und
Enttäuschung.
Janine Wrede zog erstaunt die
Augenbrauen hoch, als die beiden Kriminalbeamten vor ihrer Wohnungstür standen,
die sie schon in der Praxis aufgesucht hatten.
„Guten Morgen, Frau Wrede.“
Sie nickte nur zur Begrüßung und
wartete ab, was da kommen sollte.
„Wir hätten noch ein paar Fragen an
Sie. Dürfen wir hereinkommen?“
Sie öffnete die Tür und ließ sie an
sich vorbei. Super! Den Freitagvormittag hatte sie sich anders vorgestellt.
Nachdem der gestrige Tag für sie völlig frustrierend verlaufen war, hatte sie
gehofft, heute näher an Marius heranzukommen. Das konnte sie jetzt wohl
vergessen. Nicht nur, dass Marius am Morgen ohne ein Wort verschwunden war und
sie keine Ahnung hatte, wann er wiederkommen würde. Nein, jetzt tauchte auch
noch die Polizei bei ihnen auf und bei ihrem Glück kam Marius sicher zurück,
solange sie noch da waren. Spitzentiming.
Am Tag zuvor hatte Marius von
selbst fast gar nicht mit ihr geredet, als sie zu Hause waren. Er war in sich
gekehrt und kaum ansprechbar, obwohl sie ihr Möglichstes gegeben hatte, ihn auf
andere Gedanken zu bringen. Irgendwann hatte sie aufgegeben, ihn aus seiner
Lethargie zu reißen. Wenn er sich in sein Selbstmitleid hineinsteigern wollte,
konnte sie das nicht ändern, indem sie ihn fragte, ob er ein Bier oder ein
anderes Fernsehprogramm sehen wollte. Wahrscheinlich erwartete sie auch zu
viel. Sie war schließlich keine Mutter und konnte es nicht nachvollziehen, was
es bedeuten musste, ein Kind zu verlieren. Was ihr aber wirklich Sorgen bereitete,
war die Art, wie er sie ansah, wenn er dachte, sie merkte es nicht. Es lag
Argwohn darin, als ob er ihr eine Mitschuld daran gab, was geschehen war, als
ob er ihr nicht mehr vertraute. Dass er es sich in der Nacht auf dem Sofa
bequem gemacht hatte, anstatt zu ihr ins Bett zu kommen, passte ins Bild.
Sie ging den beiden voran ins
Wohnzimmer, froh darüber, dass sie die verräterischen Spuren von Marius’
Nachtlager bereits beseitigt hatte, und bat sie, in der Essecke Platz zu
nehmen.
Frau Siewers sah sich um. „Ihr Lebensgefährte
ist nicht da?“
Das sah man doch wohl. „Nein.“ Sie
würde nicht den Fehler machen, unnötig mehr Informationen preiszugeben. Sie
hoffte inständig, dass Marius sich Zeit lassen würde, wobei auch immer.
„Wir sind auch mehr Ihretwegen
hier.“
Sie machte einen auf erstaunt.
„Meinetwegen? Ich dachte, wir hätten gestern alles geklärt.“
„Sie haben uns nichts davon
erzählt, dass Sina Sie angezeigt hat.“
Herr Frohloff kam gleich zur Sache.
Janine sah ihn an und bemühte sich dabei um einen möglichst offenen Blick. Sie
hätte es besser wissen müssen. War ja klar, dass das irgendwann kommen musste.
Sie
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