Die Mädchen (German Edition)
wegen der Wiederholung und der
neuen Klasse. Und da meinte ich, es wäre sicher nicht so schlimm, denn er würde
da ja zumindest Merle kennen. Da hat er nur abgewinkt.“
Das war alles? Sollte er
nachbohren? Na, lieber nicht. Sonst fragte er sich womöglich, warum er an der
Meinung seines Sohnes so interessiert war. Für Lars war das Thema scheinbar
beendet. Oder wollte er nicht ins Detail gehen?
„Wie geht es Cordula?“ fragte er.
„Ich hab sie ja ewig nicht gesehen.“
Das war auch besser so. Lars wäre
sicher überrascht gewesen. „Gut. Sie lässt dich grüßen.“
Als ob. Cordula hatte Lars nie
leiden können. Sie fand ihn zu großkotzig. Aber Simon hatte ihn immer
verteidigt. Sie kannten sich schließlich schon ewig und da akzeptiert man die
Schwächen des anderen, einfach weil man ihn auch anders kennt. Natürlich
verhielt er sich ein wenig wie ein Platzhirsch, wenn andere Frauen anwesend
waren, und machte auf dicke Hose. Aber Simon wusste aus Erfahrung, dass das
nichts zu bedeuten hatte. Wie oft hatte er damals einen Rückzieher gemacht,
wenn es mit einem Mädchen ernst wurde. Er hätte sich gewundert, wenn Lars vor
Marina überhaupt mit einer Frau intim gewesen war. Aber gerade weil das alles
bei ihm nicht zusammenpasste, bestärkte das Cordula noch in ihrer Meinung.
Warum konnte man sich nicht so geben, wie man war?
Zu Beginn ihrer Beziehung waren sie
häufiger zu viert ausgegangen. Ihm zuliebe war Cordula über ihren Schatten
gesprungen. Aber wirklich genossen hatte sie die Treffen nie, auch weil sie mit
Marina so gar nichts anfangen konnte. Als Marina dann schwanger wurde, ging sie
aus Angst vor Passivrauchen gar nicht mehr aus. Die Schwangerschaft sollte
schließlich nicht gefährdet werden. Simon hatte sich sehr zusammenreißen müssen,
nicht lauthals zu lachen, als Lars es ihm erklärte. Für Cordula war das wie
eine Erlösung, bedeutete es doch, dass sie sich ebenfalls zurückziehen konnte.
Damit hatten sich die Treffen zu viert erledigt. Außer bei Einladungen zu
Geburtstagen kamen sie nicht mehr zusammen. Simon hatte das lange Zeit bedauert,
hätte er sich doch gern mal mit ihr gemeinsam mit Lars getroffen. Mittlerweile
war er froh, wenn er ohne sie aus dem Haus kam.
Lars nahm seine Lüge mit einem
Nicken zur Kenntnis und trank einen Schluck.
„Schöne Grüße zurück.“
Sein Ton ließ keinen Zweifel
zurück. Wenn er auch nicht der sensibelste war, so war er auch nicht blöd. Er
wusste genau, dass Simon keine Grüße ausrichten würde. Es war ihm nicht verborgen
geblieben, dass die Chemie zwischen Cordula und ihm nicht stimmte.
„Wie lange will dein Vater
eigentlich noch in der Firma bleiben?“
Der Schrotthandel der Familie
Müller lief wie geschmiert. Simon hätte niemals für möglich gehalten, was damit
für ein Geld zu verdienen war. Als Kind hatte er Lars immer belächelt, ihn mit
seinen Freunden aufgezogen. Schrott-Lars hatten sie ihn gerufen oder
Müllverkäufer. Dass sie auch noch Müller hießen, machte es natürlich noch
schlimmer. Müllmüller passte da natürlich hervorragend. Vielleicht lag darin
begründet, dass er anderen gegenüber jetzt häufig den Macker heraushängen ließ.
Er hatte ihm mal gestanden, dass er sich immer für den Beruf seines Vaters
geschämt und erst spät die Vorteile erkannt hatte.
Das Riesenhaus, in dem Familie
Müller wohnte, hatte Simon erst später nachdenklich gemacht. In der Pubertät,
als es immer wichtiger wurde, dass man die richtigen Klamotten trug, um dazuzugehören,
hatte er erstmalig Neid empfunden. Sein eigener Vater war auf einem Stellwerk
bei der Bahn beschäftigt gewesen und hatte die fünfköpfige Familie allein
ernährt. Die Abzahlung für das kleine Reihenhaus ließ nicht mehr viel Spielraum
und somit war für Mätzchen wie Turnschuhe mit der richtigen Anzahl von
Streifen, damit man in der Schule nicht gehänselt wurde, kein Budget vorhanden.
Solche Engpässe gab es bei Lars nicht. Er hatte nie ein Problem, sich das zu
kaufen, was er wollte. Dabei prahlte er damit nicht etwa herum, er trug einfach
immer genau die richtigen Sachen.
Zu der Zeit freundeten sie sich an.
Es begann wie eine Art Deal. Simon hatte viele Freunde und gehörte zu der
Gruppe, die den Ton angaben. Dadurch war es umso wichtiger für ihn, dass sich
das auch an seinem Äußeren zeigte. Um das zu erreichen, musste er jede Mark
zusammenhalten. Er schluckte seinen Stolz hinunter und bettelte bei Verwandten,
schleimte sich regelrecht bei ihnen ein, in der
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