Die Mädchen (German Edition)
Hoffnung, dass dann etwas für
ihn abfiel. Und wenn es gar nicht anders ging, klaute er auch schon mal.
Jedenfalls war es ein ständiger Kampf. Lars, auf der anderen Seite, verfügte
über Unmengen an Geld, wie es schien, gehörte aber irgendwie nicht richtig
dazu, so sehr er sich auch bemühte. Eines Nachmittags hörte Simon jemanden
hinter sich rufen, nachdem er ein Geschäft verlassen hatte.
„Simon!“
Er fuhr herum und ärgerte sich im
selben Augenblick. Warum war er nicht einfach schnell weggelaufen? Es war Lars.
„Hallo.“
Er drehte sich wieder um und ging
weiter.
„Warte doch mal“, rief Lars und
beeilte sich, ihn einzuholen.
Scheiße! Er hatte absolut keine
Lust auf Gelaber. Er hatte wirklich Wichtigeres zu tun.
„Ich hab dich beobachtet.“
Abrupt blieb Simon stehen. Was
meinte er?
„Wieso beobachtest du mich?“
„Gerade eben“, sagte Lars, ohne auf
seine Frage einzugehen. „Das T-Shirt, das du mit in die Kabine genommen
hattest. Wo ist es?“
Simons Augen verengten sich. „Im
Geschäft, wo sonst.“
Lars blieb ungerührt. „Das ist
gelogen. Du hast es mitgehen lassen.“
„Hab ich nicht.“
„Doch, hast du.“
Was sollte das jetzt hier?
„Was ist? Willst du mich
verpfeifen? Oder soll ich dir Geld geben, damit du die Klappe hältst?“
Lars sah ihm fest in die Augen.
„Das dürfte wohl schwierig werden. Deshalb hast du doch geklaut, oder nicht? Du
hast kein Geld.“
Verdammt! Reichte es nicht, dass er
ihn beim Klauen erwischt hatte? Musste er ihn auch noch demütigen?
„Lass mich in Ruhe.“ Er wollte
weitergehen, doch Lars hielt ihn am Arm fest.
„Ich will dir einen Vorschlag machen.“
Simon blinzelte verwirrt. „Was für
einen Vorschlag?“
„Meine Eltern haben Geld wie
Heu.“ Er sagte das ohne jeden Anflug
von Arroganz. Es war einfach eine Tatsache. „Ich kann dir aushelfen.“
„Wie meinst du das? Aushelfen...?“
„Wenn du kein Geld hast für
Klamotten oder so, dann helfe ich dir. Ich bezahle.“
Simon glaubte sich zu verhören. „Du
willst mir Sachen kaufen? Ehm, hör mal, Lars, so einer bin ich nicht.“
„Was für einer?“
Er druckste herum. „Na, du weißt
schon.“
Lars riss erschrocken die Augen
auf. „Bist du bescheuert? Ich bin nicht schwul.“
„Aber wieso...“
„Ich will, dass du mich zu euren
Treffen mitnimmst. Tu so, als ob wir befreundet wären.“
Sein erster Impuls war, ihn
auszulachen. Aber ein Blick auf Lars zeigte ihm, dass er es äußerst ernst
meinte.
„Auf einmal sollen wir ganz dick
sein? Wer soll das denn glauben?“
„Wir müssen es ja nicht gleich
übertreiben. Zu deiner nächsten Verabredung mit einem von deinen Leuten nimmst du mich mit. Du kannst
mich doch auf dem Weg zufällig getroffen haben. Dir wird da schon was
einfallen.“
Na ja, der Gedanke war zwar absurd,
aber er hatte echt was für sich. Nie wieder betteln oder stehlen zu müssen.
Warum nicht? Versuchen konnten sie es ja.
Dass sich aus dieser Geschichte
eine enge wirkliche Freundschaft entwickelt hatte, hätte er damals nicht für
möglich gehalten. Aber Tatsache war, dass sie beim Abitur die besten Freunde
waren, während alle anderen Freundschaften deutlich an Bedeutung eingebüßt
hatten. Auch nach der Schule hatten sie sich nicht aus den Augen verloren. Er
selbst hatte mit Hilfe von Bafög Betriebswirtschaft studiert und arbeitete
jetzt als Mitglied der Geschäftsleitung in einer Internetfirma. Lars hatte sich
Zeit gelassen. Für ihn war es ja auch leicht. Er konnte ja immer zurück nach
Hause und den Betrieb seines Vaters übernehmen. Da war es kein Problem, erst
etwas zu reisen und dann zu studieren, was ihm Spaß machte, ganz ohne darüber
nachzudenken, ob das in Zukunft auch lukrativ sein würde. Er konnte volles
Risiko gehen, er fiel ja weich. Und in der Tat hatte er sich nach sechs Jahren
Uni dafür entschieden, bei seinem Vater einzusteigen, der davon natürlich
begeistert war.
Simon wusste, dass die
Zusammenarbeit von Vater und Sohn kein Zuckerschlecken war. Es gab immer wieder
Tage, an denen Lars alles hinschmeißen wollte. So großzügig er seiner Familie
gegenüber außerhalb des Unternehmens auch war, so unerbittlich führte der alte
Müller seinen Betrieb. Und das schloss Lars mit ein. Er bekam nichts geschenkt,
musste sich seinen Respekt verdienen. Für jeden entgangenen Auftrag musste er
sich rechtfertigen und er wurde auch vor anderen abgekanzelt. Da machte Müller
keine Unterschiede. Es war eine harte Schule,
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