Die Mädchen (German Edition)
aber Lars hatte nicht aufgegeben.
Sein Aufgabenbereich war stetig gewachsen und er hatte viele Handlungsvollmachten,
aber immer noch war sein Vater alleiniger Geschäftsführer. Und das mit fast
siebzig.
„Du kennst ihn ja“, meinte Lars
achselzuckend. „Glaub ja nicht, dass er sich dazu irgendwie äußert. Wir witzeln
schon darüber, ob wir ihn irgendwann auch in der Firma beerdigen sollen.“
„Makaber.“
„Ist ja nur Spaß. Nein, aber ich
denke, dass er höchstens noch ein Jahr bleibt.“
„Und deine Söhne? Meinst du, dass
einer von ihnen einsteigt?“
Lars leerte sein Glas. „Ganz
ehrlich? Ich kann es mir nicht vorstellen. Interesse haben sie beide nicht
gezeigt. Patrick hat so viel mit seinem Fußball um die Ohren. Und Rouven? Der
arme Junge hat leider zwei linke Hände. Nicht die beste Voraussetzung.“
„Und? Wärst du sehr enttäuscht?“
„Nein. Ich weiß selbst nicht, ob
ich es im Nachhinein noch mal genauso machen würde.“
„Aber für deinen Vater wäre es
sicher schlimm gewesen, wenn du nicht eingestiegen wärst.“
„Das ist aber auch was anderes. Er
hat das Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut. Sein Herzblut hängt daran. Das
kann ich von mir nicht gerade behaupten.“
Es klang irgendwie traurig, wie er
das sagte.
„Und du? Wie läuft es bei euch?“
„Alles im grünen Bereich. Morgen
geht es nach Shanghai, ein neues Geschäft abwickeln.“
Es wäre schön gewesen, wenn
wirklich alles gut gelaufen wäre, aber in Wahrheit war das Geschäft mit den
Chinesen längst nicht unter Dach und Fach. Es sah längst nicht mehr so rosig
aus wie noch vor einem Jahr vielleicht. Die Konkurrenz wurde immer größer. Es
gab immer mehr Unternehmen, die ihre Dienste anboten. Der Preiskampf war
immens. Ob sie dem noch lange standhalten konnten, war fraglich. Ihm graute
davor, dann womöglich Mitarbeiter entlassen zu müssen. Er seufzte innerlich. Er
hatte gehofft, dass das Bier ihn auf andere Gedanken würde, aber irgendwie
hatte ihn die Unterhaltung mit Lars deprimiert.
Cordula Grothe wischte sich mit
beiden Händen über die Augen und gähnte. Meine Güte, fühlte sie sich gerädert.
Musste sie schon aufstehen? Sie blickte an sich hinunter und stellte erstaunt
fest, dass sie nicht im Bett, sondern vollständig bekleidet auf dem Sofa im
Wohnzimmer lag. Ach, sie war nur eingenickt. Wie spät war es eigentlich?
Sie schaute auf ihre Armbanduhr und
erschrak. Mist! Schon fast acht Uhr. Da musste sie wohl komplett weggetreten
sein. Wann hatte sie sich hingelegt? Sie hatte keine Ahnung, aber es war sicher
am Nachmittag gewesen. Himmel! Wieso war sie überhaupt so müde gewesen? Sie
kniff ein paar Mal die Augen zusammen, um wieder ganz klar zu werden. Ihr
Schädel brummte. Mal wieder. Welcher Tag war heute? Mittwoch? Ja, es musste
Mittwoch sein, sonst wäre Simon schon zu Hause. Er kam meistens gegen sechs,
aber Mittwochs spielte er immer nach der Arbeit mit seinem Kumpel Squash. Dann
war er selten vor halb neun zurück.
Sie richtete sich auf und ein
stechender Kopfschmerz ließ sie aufstöhnen. Sie blieb noch einen Moment sitzen
und rieb ihre Schläfen. Ihr Blick fiel auf die beinahe leere Flasche vor ihr
und unwillkürlich beleckte sie ihre Lippen. Nein, sagte sie sich. Sie hatte schon
mehr als genug. Andererseits, was schadete ein weiterer Schluck? Sie drehte die
Flasche auf und kippte den restlichen Inhalt auf ex hinunter. Sie spürte den
Wodka ihre Kehle hinab laufen und seufzte. Tat das gut. Aber jetzt musste sie
sich beeilen. Simon würde in der nächsten halben Stunde nach Hause kommen und
sie musste doch noch etwas zu essen vorbereiten. Sie stand auf, schlüpfte in
ihre Hausschuhe, die vor der Couch lagen, und schraubte den Deckel auf die
Flasche. Sie ging in die Küche und holte eine Plastiktüte aus dem Hängeschrank,
in der sie die Flasche verstaute. Es sollte schließlich niemand sehen, was sie
da bei sich trug. Sie ging nach draußen in den Garten. Es war Mitte Februar und
damit eigentlich viel zu kalt, um ohne Jacke an der frischen Luft zu sein, aber
sie wollte sich eh nicht lange dort aufhalten. Sie eilte den Weg links neben
dem vom Regen feuchten Rasen entlang zum Schuppen und nahm den Schlüssel vom
Haken. Sie öffnete die Tür und ging in die hinterste Ecke, in der sie in einem
Beutel ihren Vorrat und die leeren Flaschen versteckt hatte. Sie nahm die eben
entleerte Flasche aus der Tüte und warf sie in den Beutel. Herrje. Es waren
schon wieder ganz schön viele. Sie musste
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