Die Mädchen (German Edition)
morgen unbedingt mal wieder ein paar
entsorgen, sonst merkte Simon womöglich noch was. Sie verließ den Schuppen und
lief zurück ins Haus.
Ein Schauer lief ihr über den
Rücken, als sie die Küchentür hinter sich schloss. Mann, war das kalt. Sie rieb
sich die Arme vor der Brust und überlegte, was zu tun war. Abendessen wäre
nicht schlecht gewesen. Wenn Simon vom Sport kam, hatte er immer einen
Bärenhunger. Und seine schlechte Laune, wenn nichts für ihn auf dem Tisch
stand, wollte sie nicht erleben. Hatte sie schon was vorbereitet? Sie konnte
sich wirklich nicht erinnern. Wenn ihr Kopf nur nicht so gebrummt hätte.
Sie öffnete den Kühlschrank und sah
hinein. Nichts, Scheiße. Vielleicht hatte sie ja noch etwas in der Truhe? Sie
ging in die Speisekammer und öffnete die Kühltruhe. Ungeduldig wühlte sie in
den Tupperdosen herum. Warum schrieb sie auch nie drauf, was sie darin
eingefroren hatte? Ach, da war was. Hühnerfrikassee. Sie schnappte sich die
Packung, öffnete sie und schüttete den Inhalt, der nur ein undefinierbarer Kloß
war, in eine Schüssel. Anschließend deckte sie den Kloß ab und stellte die
Schüssel in die Mikrowelle. Dann setzte sie einen Topf mit Wasser für den Reis
auf.
So. War noch etwas zu tun? Gegen
den pelzigen Geschmack auf der Zunge sollte sie noch etwas unternehmen. Sie
ging ins Bad und putzte sich ausgiebig die Zähne. Sie spülte den Mund aus und
trocknete sich das Gesicht mit einem Handtuch ab. Dabei sah sie unweigerlich in
den Spiegel, der über dem Waschbecken angebracht war. Und was sie sah, gefiel
ihr gar nicht. Ihr blondes Haar fiel ihr in Strähnen auf die Schulter und
wirkte seltsam farblos und stumpf. Vielleicht sollte sie es mal mit einer neuen
Tönung versuchen.
Aber es waren ja nicht nur die
Haare. Früher hatte man sie wegen ihrer hohen Wangenknochen bewundert. Heute
wirkten ihre Wangen einfach nur eingefallen. Ihr Mund sah nicht so aus, als ob
er viel lachen würde. Aber die größte Veränderung sah sie in ihren Augen, die
sie früher immer lebendig hatten wirken lassen. Sie versprühten längst keine
Lebensfreude mehr. Es schien beinahe so, als ob das klare Blau irgendwie
verwaschen geworden war. Unglaublich.
Sie fragte sich, seit wann das so
war. Was hatte sie so verändert? Die Ehe? Sicher, die Gefühle änderten sich,
wenn man lange verheiratet war. Die rosa Wolken verschwanden irgendwann, wenn
man den Alltag gemeinsam bewältigen musste. Aber das schafften andere Paare
doch auch, ohne sich gegenseitig aus den Augen zu verlieren. Das konnte sie
nicht als Entschuldigung gelten lassen. Wieso hatten sie es nicht geschafft,
ihre Gefühle über die Zeit zu bewahren? Wie schon so oft dachte sie an die
erste Zeit in ihrer Ehe zurück. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass
es zwischen ihnen wieder so wurde wie damals. Das erste Jahr nach ihrer
Hochzeit war alles unverändert. Sie verbrachten ihre Zeit gemeinsam, waren viel
unterwegs und hatten täglich Sex. Sie redeten miteinander und lachten viel.
Dann ging beider bis dato größter Wunsch in Erfüllung. Sie wurde schwanger. Sie
konnte sich noch gut an den Besuch beim Arzt erinnern, als er ihr ihren
Verdacht bestätigte. Es war der glücklichste Moment in ihrem Leben und sie
hatten den Tag gefeiert wie keinen anderen zuvor.
Und doch war das genau der Tag, an
dem sich alles veränderte, auch wenn ihr das erst im Nachhinein klar wurde. Sie
hatte schon häufiger gehört, dass Männer Schwierigkeiten hatten, mit ihrer Frau
zu schlafen, wenn sie schwanger war. Manche wohl aus Angst, dass dem Baby etwas
passieren könnte, andere vielleicht auch, weil durch die Veränderung der Körper
ihrer Frau für sie an Attraktivität verlor. Cordula wusste nicht, was es bei
Simon war, aber Tatsache war, dass er sich ihr gegenüber plötzlich deutlich
zurückhielt. Immer wenn sie einen Schritt auf ihn zu machen wollte, merkte sie,
wie er sich zurückzog. Sie hatte es mehrfach angesprochen, aber er war jedes
Mal ausgewichen, hatte sich mit Stress und zuviel Arbeit herausgeredet. Und
irgendwann hatte sie von der Zurückweisung genug und gar nicht mehr gefragt.
Als ihre Tochter schließlich
geboren wurde, war sein Interesse auf einmal wieder größer. Doch dann war es an
ihr, ihn abzuweisen. Also wirklich, sie hatte schließlich gerade erst
entbunden. Und was erwartete er? Monatelang hatte er sie an der langen Hand
verhungern lassen und jetzt sollte sie Gewehr bei Fuß stehen? Das konnte er
vergessen. Rückblickend
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