Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
Vom Netzwerk:
Bewusstsein verloren, ich bin da ja kein Experte. Der
Arzt hat jedenfalls nicht übertrieben, als er von Sprachschwierigkeiten geredet
hat.“
    Sie nickte und bedachte ihn mit
einem mitleidigen Blick. „Aber er hat mit dir gesprochen.“
    „Ja.“
    Dass sie ihm nachgefahren war,
bedeutete nicht, dass er alles mit ihr teilen musste.
    „Ist er wütend auf deine Mutter?“
    „Nein. Hör mal, Luisa. Sei mir
nicht böse, aber ich kann im Moment nicht mit dir darüber sprechen. Warum bist
du überhaupt hier?“
    Das kam heftiger raus, als er
beabsichtigt hatte, aber er fühlte sich einfach überfordert.
    Sie schien das allerdings nicht
bemerkt zu haben. „Weil ich finde, dass du das nicht allein durchmachen musst.“
    Was wollte sie tun? Ihm die Hand
halten?
    „Das ist ganz furchtbar lieb von
dir, wirklich. Aber ich denke, das muss ich doch. Sei nicht sauer, aber du
kannst hier wirklich gar nichts tun. Bitte fahr wieder nach Hause.“
    Sie war gekränkt, das konnte er
sehen, aber das konnte er nicht ändern. Es ging im Moment nicht um sie und ihn
und wenn sie das nicht verstehen konnte, war es besser, wenn sie gleich ganz verschwand.
    „Wie du willst.“ Sie gab ihm einen
Kuss auf die Wange, wie um ihm zu sagen, mich wirst du so schnell nicht los,
und wandte sich zum Gehen.
    „Ach Luisa?“
    Sie fuhr herum. „Ja?“
    „Weißt du, wo meine Mutter ist?“
    „Sie hat sich ein Taxi genommen und
ist nach Hause gefahren. Ich bin ihr nachgelaufen, als du zu deinem Vater
gegangen bist und hab sie vor der Tür noch erwischt. Ich hab versucht, sie zum
Bleiben zu überreden, aber sie wollte davon nichts hören. Ich glaube, sie ist
tierisch sauer.“
    Sie hatte versucht, seine Mutter
umzustimmen? Sie hatte keine Ahnung, worauf sie sich da eingelassen hatte. Dass
sie da auf Granit beißen würde, hätte er ihr gleich sagen können, aber jetzt
hielt er sich mit einem entsprechenden Kommentar zurück. Es wäre ihr gegenüber
nicht fair gewesen, auch wenn er sich noch so sehr darüber ärgerte, dass sie
ihm gefolgt war.
    „Du solltest vielleicht nach ihr
sehen.“
    Er sah ihr nach, wie sie den Gang
entlang ging und dann durch die dicke Sicherheitstür verschwand. Seine Mutter
war also tatsächlich nach Hause gefahren. Ihr Mann lag schwerkrank auf der
Intensivstation und sie war in ihrem Ego verletzt. Meine Herren, dann musste
der Schock ja tief sitzen.
    Was sollte er jetzt tun? Hier
warten? Worauf? Dass sein Vater wieder aufwachte? Niemand konnte ihm sagen,
wann das der Fall sein oder ob das überhaupt geschehen würde. Außerdem musste
er morgen arbeiten und sollte sich nicht die ganze Nacht um die Ohren schlagen.
Wenn er so darüber nachdachte, klang das schon sehr rational und ein wenig
herzlos, immerhin war es sein Vater, der da im Koma lag. Doch andererseits war
es ja nicht gerade so, als ob sie beide die letzten Jahre ein besonders inniges
Verhältnis gehabt hätten. Als Timo die neun Monate in Tokio gewesen war, hatte
er nicht einmal mit seinem Vater telefoniert. Das sagte wohl alles über ihre
Beziehung aus. Natürlich machte er sich Sorgen, aber er wäre stärker betroffen
gewesen, läge seine Mutter jetzt an Schläuchen in dem Krankenbett. Seine Sorge
galt in erster Linie ihr.
    Sollte er also das tun,
was Luisa ihm geraten hatte und zu seiner Mutter fahren? Sie hatte sicher
Recht, genau da sollte er hin, um ihr in dieser schweren Stunde zur Seite zu
stehen, und das war auch das, was seine Mutter von ihm erwartete. Aber genau
das würde er nicht tun. Er kannte seine Mutter und wusste genau, wonach sie als
erstes fragen würde. Sie würde wissen wollen, was sein Vater so Wichtiges mit
ihm zu besprechen hatte. Und das würde er ihr auf keinen Fall verraten. Noch
nicht. Er hatte es seinem Vater versprochen und daran wollte er sich auch halten,
solange das möglich war. Und da seine Mutter es nicht für nötig gehalten hatte,
im Krankenhaus zu bleiben und auf ihn zu warten, schien ihre Sorge ja nicht so
groß zu sein, als dass es nicht bis morgen Zeit hatte.
    Also ab nach Hause. Da
würde wahrscheinlich Luisa auf ihn warten, aber vielleicht hatte sie ja den
Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und ließ ihn mit Fragen nach seinem Vater in
Ruhe. Am liebsten wäre es ihm gewesen, Luisa wäre nach seiner Reaktion vorhin
gleich in ihre eigene Wohnung gefahren, aber irgendwie rechnete er nicht damit.

Vorher
    „Schön, dass Sie sich noch mal mit
mir treffen“, sagte sie, nachdem sie auf dem Sofa Platz genommen hatten.
    Es waren

Weitere Kostenlose Bücher