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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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dahinter? Er konnte das nie sagen. Das war auch
bei Lars nicht anders. Sollte er so etwas erwidern wie alles bestens und dann zum Wetter übergehen? Oder sollte er sagen,
wie es wirklich war? Dass Cordula und er sich kaum etwas zu sagen hatten, dass
er froh war, wenn er länger arbeiten musste, weil dann weniger Zeit blieb, die
er mit ihr verbringen musste. Dass seine Tochter Merle ihm völlig fremd war.
Dass er nichts über sie wusste, weder ihre Interessen kannte noch über ihre
schulischen Leistungen im Bilde war. Dass er über ihren Umgang nur mutmaßen
konnte. Er betrachtete sein Bierglas nachdenklich, bevor er seinem Freund eine
Antwort gab.
    „Alles beim Alten“, sagte er
schließlich. Eine elegante Beschreibung, mit der er nicht gelogen, gleichzeitig
ihm aber auch nichts verraten hatte.
    „Wie alt ist Merle jetzt eigentlich
schon?“
    So schnell gab Lars sich wohl nicht
zufrieden. „Vierzehn.“ Als ob er das nicht genau wusste.
    „Schwieriges Alter, oder? Schon ein
Freund in Sicht?“
    Simon warf ihm einen argwöhnischen
Blick zu. Was war das für eine Frage? Warum interessierte ihn das? Was sollte
er darauf erwidern?
    „Nicht, dass ich wüsste.“
    Lars lachte. „Na, ich denke, der
Vater erfährt so was sowieso immer als Letzter.“
    Wie überaus witzig! Er hatte gut
lachen. Er hatte schließlich keine Tochter, die sich in der Pubertät befand und
sich mit wer weiß wem herumtrieb. Aber irgendwie fand er seine Andeutung komisch.
Lars’ jüngerer Sohn ging mit Merle in eine Klasse und vielleicht hatte der
etwas zu Hause erzählt. Sollte er danach fragen? Lieber nicht. Damit gab er ihm
zu verstehen, dass er bei seiner Tochter im Dunkeln tappte. Er entschied sich
für den indirekten Weg.
    „Und Rouven? Wie ich höre, hat er
ein paar Schwierigkeiten in der neuen Klasse.“ Das war vollkommen aus der Luft
gegriffen, aber so gab er Lars zumindest das Gefühl, seine Tochter würde ab und
an mit ihm sprechen. Außerdem war es ja durchaus möglich. Schließlich
wiederholte Rouven das achte Schuljahr und da musste man sich doch immer
umgewöhnen. Neue Schüler, neue Lehrer und die unangenehme Situation, dass alle
wussten, dass man das vergangene Schuljahr nicht geschafft hatte, machten es
sicher nicht leicht.
    Lars winkte ab. „Das ist wohl
ziemlich normal. Aber ich glaube, dass es gut war, dass er nicht versetzt
wurde. Weißt du, er hatte da ziemlich seltsame Kumpels in der Klasse, mit denen
er immer abhing. Marina war eine Zeitlang ganz schön beunruhigt. Aber du
glaubst nicht, was ein etwas veränderter Stundenplan alles so ausmacht.“  
    Simon konnte sich gerade noch
zurückhalten, um nicht mit den Augen zu rollen, als Lars seine Frau erwähnte.
Marina war so was von besorgt um ihre Familie, dass es nicht mehr normal war.
Schon als die beiden Jungs klein waren, konnte nichts abgesichert genug sein.
Absolut alles wurde kontrolliert. War der Boden auch sauber? Waren die Kinder
auch warm genug angezogen? Saß der Gurt im Auto fest genug? Und so weiter. Die
richtigen Freunde waren natürlich ebenfalls wichtig. Nicht auszudenken, wenn
Rouven oder Patrick jemanden mit nach Hause brachten, dessen Vater auf dem Bau
arbeitete oder womöglich arbeitslos war, was ja in der heutigen Zeit keine
Seltenheit war. Marina selbst stammte aus einer gutbürgerlichen Familie, ihre
Eltern betrieben ein Juweliergeschäft in Lübecks Innenstadt, und darauf bildete
sie sich allerhand ein. Simon war sicher, dass sie niemals mit jemandem
ausgegangen wäre, der aus einer Arbeiterfamilie kam. Auch Lars mit seinem
Schrotthandel war nur so eben noch durchgegangen, weil der Betrieb eine Menge
Geld abwarf. Wenn er also sagte, dass Marina besorgt war, hatte das rein gar
nichts zu bedeuten, außer dass es ein schlimmer Schock für sie gewesen sein
musste, dass Rouven das letzte Schuljahr nicht geschafft hatte und dass alle
Bemühungen ihrerseits, ihre Söhne zu Höchstleistungen anzutreiben, nicht gefruchtet
hatten. Simon fragte sich nicht zum ersten Mal, wann die blöde Kuh endlich mal
den Stock aus ihrem Arsch nahm.
    „Aber es wundert mich, dass Merle
so etwas erzählt. Soweit ich gehört habe, ignoriert sie Rouven die meiste
Zeit.“
    Wurde es jetzt vielleicht
interessant? Simon nahm einen Schluck aus dem Glas und wischte sich über die
Lippen. „Hat er das gesagt?“
    „Nicht, dass er sich beschwert
hätte oder so.“ Lars hob verteidigend beide Hände. „Wir haben uns nur ganz
normal unterhalten. Er hatte ziemliche Bedenken

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