Die Mädchen (German Edition)
wusste sie natürlich, dass das ein Fehler gewesen war.
Es hatte dazu geführt, dass keiner von beiden wusste, wann der andere
vielleicht Lust hatte und wann nicht. Und gesprochen hatten sie auch nicht
wirklich darüber, vermutlich weil beide Angst davor hatten, wie die Antwort des
anderen ausfallen könnte. Sicher kam es dann doch dann und wann dazu, aber so
richtig erholt hatte sich ihr Sexleben nicht.
Sie sah die Schatten unter ihren
Augen und schüttelte den Kopf. Wenn sie so aussah, war es kein Wunder, dass
Simon keine Anstalten machte, mit ihr zu schlafen. Sie konnte sich kaum noch an
das letzte Mal erinnern. Aber irgendwie wies ihre Situation mit Simon
Ähnlichkeit mit der Frage auf, ob nun das Ei oder das Huhn zuerst da war. Hatte
Simon das Interesse an ihr verloren, weil sie sich gehen ließ oder
vernachlässigte sie sich, weil sie seine Gleichgültigkeit spürte?
Sie seufzte und wandte den Blick
ab. Sie löschte das Licht und verließ das Bad. Vielleicht sollte sie wirklich
an sich arbeiten. Ein Besuch beim Friseur tat ja nicht weh. Ja, gleich morgen
würde sie einen Termin machen. Sollte sie diese Entscheidung nicht mit einem
Schluck begießen? Sie warf einen Blick auf die Uhr. Zwanzig nach acht. Lieber
nicht, das war zu knapp. Sie ging in die Küche und hörte, wie das Wasser auf
dem Herd kochte. Sie warf zwei Beutel Reis in den Topf, drehte den Herd etwas
hinunter und ließ den Reis mit leicht geöffnetem Deckel vor sich hin kochen.
Dann nahm sie die Schüssel aus der Mikrowelle und rührte mit einem Löffel in dem
Frikassee herum. Sie würde es noch einmal für drei Minuten in die Mirkowelle
stellen, sobald Simon da war. Sie nahm drei Teller aus dem Schrank und stellte
sie auf den Küchentisch. Dann legte sie neben jeden eine Gabel. Nachdem sie
noch Gläser dazu gestellt hatte, setzte sie sich an den Tisch und wartete
darauf, dass Simon auftauchte.
Marina Müller schloss die Tür
hinter sich und ließ ihre Sporttasche auf den Boden fallen. Sie drehte ihren
Kopf nach links und verzog das Gesicht. Sie verfluchte sich und ihre
Verbissenheit. Warum hatte sie nicht auf Yvonne gehört und nach der Stunde Yoga
Schluss gemacht? Nein, sie musste ja wieder mal übertreiben und hatte noch mal
45 Minuten Workout rangehängt. Ihren Verspannungen im Nackenbereich hatte das
nicht gut getan, soviel war mal klar. Sie entledigte sich ihrer Jacke, Schal
und Handschuhen und zog die Schuhe aus. Dann stellte sie sich vor den großen,
rechteckigen Spiegel mit verziertem Metallrahmen, ein Erbstück ihrer
Großmutter, der in der Diele hing, und ließ ihren Kopf langsam zur rechten
Seite sinken. Sie fasste mit der rechten Hand an den Kopf, half nach, bis es
nicht mehr weiterging und verharrte für etwa eine halbe Minute in dieser
Position. Das gleiche machte sie dann mit links und anschließend wiederholte
sie den Vorgang viermal. Danach hatte sie das Gefühl, dass sie ihren Kopf
tatsächlich besser drehen konnte, aber vielleicht war das auch nur Einbildung.
Sie schnappte sich ihre Tasche und ging in den Keller, um die dreckige Wäsche
neben die Waschmaschine zu legen. Sie überlegte kurz, die Maschine anzustellen,
und verwarf den Gedanken, als ihr einfiel, dass Patrick zum Fußballtraining war
und Lars Squash spielte. Es würde also noch genug Dreckwäsche kommen, da konnte
sie das Waschen genauso gut auf morgen verschieben.
Sich über sich selbst ärgernd, dass
sie das Training ihres älteren Sohnes vergessen hatte, ging sie die
Kellertreppe hoch und gleich weiter in den ersten Stock ihres Einfamilienhauses,
in dem ihre Söhne ihre Zimmer hatten. Seit seinen Schwierigkeiten in der Schule
hatte Rouven um sieben zu Hause zu sein und damit er das auch einhielt, war
normalerweise immer jemand von ihnen da. Als Yvonne sie am Morgen gebeten
hatte, sie zum Yoga zu begleiten, war sie davon ausgegangen, dass Patrick wie
jeden Mittwoch die Rolle des Aufpassers übernehmen konnte. Sie hatte zugesagt,
weil sie das angesetzte Extratraining völlig vergessen hatte. Dass Rouven von
selbst an seinen Hausaufgaben saß, war kaum zu erwarten, es war sogar fraglich,
ob er überhaupt zu Hause war. Sie kannte ihren Sohn zur Genüge und wusste, wenn
jemand ein Schlupfloch entdeckte, dann war es mit Sicherheit Rouven. Dafür
hatte er ein untrügerisches Gespür, nicht umsonst musste er das Schuljahr
wiederholen. Sie gab sich selbst die größte Schuld daran, weil sie es einfach
hatte schleifen lassen. Aber bei Patrick war immer alles so
Weitere Kostenlose Bücher