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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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Computer sitzen zu sehen. Und wenn sie
gewusst hätte, was er sich da ansah, wäre sie wohl ausgeflippt. Na, sei es
drum. Er wartete noch einen Augenblick, bis er sicher war, dass sie auch wirklich
wieder nach unten verschwunden war, bevor er den Browser wieder öffnete.
    Es war unglaublich, was sich da vor
seinen Augen aufbaute. Daniel hatte Recht gehabt. Er hatte es ja erst für
Spinnerei gehalten, weil Daniel dazu neigte, sich wichtig zu machen. Er war wie
er selbst neu in der Klasse, wobei er allerdings kein Wiederholer war, sondern
mit seiner Familie von Köln nach Lübeck gezogen war. Und während Rouven
zumindest nach außen recht gelassen mit der neuen Situation umging, er wusste,
dass er als cool galt, weil sich herumgesprochen hatte, dass er sein Zeugnis
gefälscht hatte, setzte Daniel alles daran, von den Mitschülern anerkannt zu
werden.
    Dass er dadurch eher das Gegenteil
erreichte, schien er irgendwie nicht zu begreifen. Nachdem herausgekommen war,
dass sein Vater nicht, wie er behauptet hatte, bei einem Hilfseinsatz in
Afghanistan ums Leben gekommen war, sondern quicklebendig mit seiner neuen
Familie in Köln lebte, fragten sich natürlich alle, was sonst noch alles
gelogen war. Seine Mutter hatte beim Elternabend ganz offen über ihre Scheidung
gesprochen, völlig ahnungslos, dass sie damit das sorgfältig aufgebaute Fantasiegebilde
ihres Sohnes zum Einstürzen brachte. Es dauerte keinen Tag und die Wahrheit war
in der Schule herum. Die Folgen waren verheerend, es wandten sich alle von ihm
ab. Rouven wusste gar nicht genau, wie es dazu gekommen war und ob sein Mitleid
schuld daran war, aber seit dieser Geschichte war er derjenige, der ihn jetzt
ständig am Hals hatte.
    Als Daniel ihm an diesem Morgen von
der Website erzählte, hatte er zunächst gedacht, dass es sich wie üblich um
eines seiner Hirngespinste handelte. Doch Daniel hatte nicht locker gelassen
und als er nach Hause kam, hatte seine Neugier über sein Misstrauen gesiegt. Es
war niemand da und diese seltene Gelegenheit wollte er nicht ungenutzt
verstreichen lassen. Also hatte er sich eilig an den Computer gesetzt, war ins
Internet gegangen und hatte eine Überraschung erlebt, denn es war genauso, wie
Daniel behauptet hatte. Innerlich entschuldigte er sich bereits dafür, dass er
ihm unrecht getan hatte. Ja, er überlegte sogar, wie er sich bei ihm
revanchieren konnte, denn das war alles noch viel besser, als er vermutet
hatte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Damit würde er etwas anfangen
können, endlich.  
    Er warf einen weiteren Blick auf
die Seite und kratzte sich nachdenklich am Kinn. Ob noch welche davon wussten?
Daniel hatte es sicher keinem anderen erzählt, und wenn, glaubte ihm sowieso
keiner, aber jeder konnte ja auch ganz zufällig über diese Website stolpern. Er
fragte sich, wer bei ihnen auf diese Seite gestoßen war. Durch Zufall oder
gezielte Suche? Dass jemand die Seite an diesem Computer aufgerufen hatte,
stand außer Frage. Er hatte, nachdem er sich angemeldet hatte, nur die ersten
beiden Buchstaben eingegeben, als wie durch Zauberei die ganze Adresse im
Adressfeld auftauchte und das war nur möglich, wenn sie vorher schon mal eingegeben
worden war.
    „Rouven“, rief seine Mutter von
unten und ließ ihn zusammenzucken. „Essen ist fertig. Kommst du?“
    „Ich bin gleich da“, rief er
zurück. Er schloss die Seite und meldete sich aus dem Netz ab, allerdings nicht
ohne vorher den Verlauf zu löschen. Er wollte schließlich nicht denselben Fehler
machen, wie derjenige, der zuvor auf diesem Stuhl gesessen hatte.
     
    Cordula schreckte hoch, als die Tür
ins Schloss fiel. Nachdem der Reis verkocht war, hatte sie wütend den Topf über
dem Mülleimer ausgeschüttet und das Hühnerfrikassee in die Toilette gekippt.
Anschließend hatte sie ihren Frust mit einer weiteren halben Flasche Wodka
hinuntergespült. Was fiel Simon ein? Er wusste doch, dass sie mit dem Essen
wartete. Wieso hatte er nicht soviel Anstand, wenigstens anzurufen, wenn er später
kam? Dass sie ihn anrief, zog sie keine Sekunde in Erwägung. Sie war viel zu
stolz, ihm hinterher zu telefonieren. Nein, die Blöße wollte sie sich nicht
geben, zumal sie nicht wusste, mit wem er sich da gerade zusammen herumtrieb.
Wenn sie raten musste, hätte sie auf seine Sekretärin, ach nein, Assistentin,
dieses billige Ding, getippt. Diese Susi. Wenn sie den Namen schon hörte. Was
er an der fand, war ihr schleierhaft. Diese vorstehenden Zähne und die

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