Die Mädchen (German Edition)
konnte sie ja wohl so was von vergessen! Wo war ihr Mitgefühl
gewesen, als sie die reißerischen Artikel über Christopher verfasst hatte?
„Sie haben doch selbst gekündigt.“
Sie starrte, nein glotzte, ihn an.
„Wo haben Sie das denn her? Rausgeschmissen hat man mich, achtkantig.“
Timo wechselte einen fragenden
Blick mit Doreen, ob sie da vielleicht einen Fehler begangen hatte. Aber sie
war sicher. Christopher hatte man etwas anderes erzählt.
„Warum?“
„Da fragen Sie noch? Wegen der
Artikel. Sie waren nicht abgesegnet. Ich hab sie eigenmächtig in Druck gegeben
und das ist als Volontär absoluter Selbstmord.“
„Können Sie sich vorstellen, warum
Ihre Kollegen sagen, dass Sie selbst gekündigt haben?“
Sie schien gleichgültig, was der
Grund dafür war. Kein Wunder, änderte es ja nichts an der Tatsache, dass sie
ohne Job dastand.
„Vielleicht weil sie sonst den
Grund angeben müssten. Und ich nehme an, dass nicht publik werden soll, wie
einfach es ist, ungenehmigte Berichte in der Zeitung erscheinen zu lassen.“
Das war möglich und einigermaßen
beunruhigend.
„Aber dann mussten Sie doch damit
rechnen, dass man sie rausschmeißt. Warum haben Sie den Artikel dennoch
verfasst?“
„Das hab ich ja nicht.“
„Haben Sie nicht?“
„Nein. Der Teil meiner Geschichte
stimmt. Mirco Hachmeister hat den Artikel geschrieben.“
„Aber einen Herrn Hachmeister gibt
es bei den LN nicht.“
„Das ist richtig.“ Sie seufzte.
„Ich kann selbst nicht glauben, wie dumm ich gewesen bin, darauf
hereinzufallen. Ich habe einen jungen Mann kennen gelernt, der sich mir als
Mirco Hachmeister vorgestellt hat. Das sage ich so, weil ich mittlerweile nicht
mehr glaube, dass das sein richtiger Name ist. Wir haben eine Beziehung
angefangen und irgendwann, also eigentlich kurz danach, hat er mich dann
gebeten, den Artikel mit dem Bild von der Entlassung Ihres Bruders aus dem
Gefängnis irgendwie in Druck zu geben.“
„Und das haben Sie getan.“
„Ja. Sagen Sie nichts. Ich weiß
selbst, dass das dumm war. Aber er konnte sehr überzeugend sein.“
Sie wurde rot und Doreen konnte
sich lebhaft vorstellen, welch überzeugende Vorstellung er zwischen den Laken
gegeben hatte.
„Hat man Sie denn nicht beim ersten
Artikel verwarnt?“
„Mein direkter Vorgesetzter hat mir
den Rücken freigehalten. Ihm hat meine sonstige Arbeit gefallen und hielt das
für einen Ausrutscher.“
„Also haben Sie es ihm gedankt,
indem Sie noch einen Bericht Ihres Freundes haben drucken lassen.“
„Ja. Ich weiß, es war dumm, aber
ich hab mir nichts dabei gedacht. Die Möglichkeit bestand ja, dass Tuchel
wirklich etwas mit dem Verschwinden der Mädchen zu tun hatte.“
Jetzt versuchte sie sich zu
rechtfertigen und Timo musste sich sichtlich zurückhalten.
„Ehrlich gesagt, war ich wirklich
davon überzeugt. Mirco hatte mir das alles so plausibel gemacht, dass ich daran
glaubte, das Richtige zu tun. Und ganz ehrlich, es geht um Ihren Bruder, aber
finden Sie acht Jahre nicht auch ein bisschen zu wenig für den Mord an einem
vierzehnjährigen Mädchen?“
Doreen hoffte, dass Timo sich nicht
auf diese Diskussion einließ. Er tat ihr den Gefallen, obwohl es ihn sicher
starke Überwindung kostete.
„Wann sind Ihnen das erste Mal
Zweifel daran gekommen, dass Sie im Recht sind?“
„Als ich Ihren Bruder kennen
gelernt habe. Da erschien mir das alles plötzlich so dumm. Er hat mich beeindruckt,
wissen Sie.“
Da war sie nicht die einzige.
Doreen musste an den ersten Eindruck denken, den er auf sie gemacht hatte. Und
wenn sie ihn jetzt vor sich sah an irgendwelchen Schläuchen im Krankenhausbett,
erfüllte sie das mit einer Traurigkeit, die sie gar nicht richtig erklären
konnte.
„Aber Sie haben trotzdem diesen
verheerenden Artikel in Auftrag gegeben.“
„Ich hab es bereut, ehrlich. Aber
zu dem Zeitpunkt, als ich mich mit Ihrem Bruder getroffen habe, war schon alles
gelaufen. Ich konnte ihn nicht zurückrufen.“
„Haben Sie gedacht, Sie kommen ein
weiteres Mal damit durch?“
„Ich habe gar nicht gedacht.“
Doch, hast du. Mit dem
Unterleib. Doreen fiel nichts anderes dazu ein. Wie konnte jemand nur so
blind einem anderen vertrauen, dass es ihn den Job kosten konnte? Dass sie im
Moment einen ähnlichen Weg eingeschlagen hatte, blendete sie geschickt aus.
„Und? Was ist passiert?“
„Noch am Abend hat mich der
Chefredakteur angerufen und mir gesagt, dass ich nicht mehr wiederzukommen
brauche. Meine privaten
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