Die Mädchen (German Edition)
Sachen würden mir nachgeschickt. Das war es dann.“
„Und Ihr Freund?“
„Mein Freund?“ Sie lachte bitter.
„Ich versuche seit Tagen, ihn zu erreichen, aber seine Handynummer gibt es
nicht mehr. Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt und kann Ihnen nur
soviel sagen. Es gibt keinen Mirco Hachmeister. Und wenn ich nicht so
bescheuert gewesen wäre, hätte ich das schon viel früher merken müssen. Ich
wusste ja nicht einmal, wo er wohnt, können Sie sich das vorstellen?“
Timo und Doreen sahen sich an. Was
hatte das zu bedeuten? Wer war dieser ominöse junge Mann? War es derselbe, den
sie ebenfalls kennen gelernt hatte?
„Wie sieht Herr Hachmeister aus?“
fragte sie.
Wenn Frau Doerner überrascht war,
dass sie sprechen konnte, ließ sie es sich nicht anmerken. „Etwa einsachtzig
groß, schlank und sportlich, blond, blaue Augen und ungefähr fünfundzwanzig.“
Das passte. Es war offensichtlich
derselbe Mann. Was für ein Interesse verfolgte er?
„Hat er Ihnen gegenüber jemals
angedeutet, ob es eine Verbindung zwischen ihm und Herrn Tuchel gab?“
„Nein. Er hat nur immer wieder
gesagt, dass er das deutsche Strafrecht als nicht ausreichend streng empfindet.
Und Christopher Tuchel war für ihn das lebende Beispiel.“
Und sie war darauf hereingefallen.
„Mittlerweile denke ich sogar, dass
sie sich gekannt haben. Und ich weiß, dass Mirco mich ausgesucht hat, eben weil
ich bei den LN gearbeitet habe. Er hat mich beobachtet und als geeignetes Opfer
ausgesucht. Und ich bin wie eine Blöde darauf hereingefallen.“ Sie hatte Tränen
in den Augen. „Ich hätte mir gleich denken müssen, dass da was nicht stimmt.
Was soll ein so attraktiver Mann mit so einer hässlichen Kuh wie mir?“
Das war vielleicht etwas hart
ausgedrückt, aber im Kern stimmte es schon. Doreen hatte Hachmeister gesehen
und er war 1 a Material, was man von ihr nicht gerade behaupten konnte. Ihr
fielen keine tröstenden Worte ein.
Triff mich um acht vor dem Filmhaus.
Holger Funke las die SMS seiner
Frau zum mindestens sechsten Mal. Sie wollte mit ihm ins Kino? War das ein
Friedensangebot? Schien so. Er hatte ihre Reaktion ohnehin für übertrieben
gehalten. Schön, er hatte den Elternabend verpasst, ihn außerdem auch
vergessen, aber wenn ein junges Mädchen ermordet worden war, galten halt andere
Regeln. Und eigentlich war Maggie die letzte, die das nicht verstand. Er nahm
an, dass das auch wieder mit Vicky zusammenhing. Maggie fühlte sich in der Situation
mit ihrer Tochter überfordert, vielleicht ein wenig allein gelassen und
übertrug das jetzt auch auf Dinge, die mit Vicky gar nichts zu tun hatten.
Einen Tag hatte sie gebraucht, um sich abzuregen, und die Nachricht klang wie
ein Versuch zur Wiedergutmachung.
Warum nicht? Sie waren ewig nicht
im Kino gewesen und er konnte ein wenig Ablenkung gut gebrauchen. So stellte er
seinen Wagen gegen viertel vor acht auf Parkplatz Zwei in der Kanalstraße ab
und ging die Glockengießerstraße hinauf zur Innenstadt. Er würde etwas früher
da sein als acht, aber das war auch gut so, denn er wollte Maggie nicht unnötig
warten lassen. Es war sicher schön für sie, wenn er tatsächlich mal vor einer
verabredeten Zeit auftauchte, was selten geschah. Er war deshalb zeitig aufgebrochen
und hatte vom BH zum Parkplatz hatte er nur etwas über fünf Minuten gebraucht.
An der Ecke zum Langen Lohberg
passierte er einen Schokoladenladen, den er noch nie gesehen hatte, und auf der
anderen Seite sah er eine Weinstube, in deren Küche Essen frisch zubereitet
wurde. Als er an einer Weinstube neben dem Günther-Grass-Haus vorbeikam, die Flaschen
mit Etiketten von Grass-Motiven im Fenster stehen hatte, fasste er den
Entschluss, in Zukunft häufiger mal mit Maggie in die Innenstadt zu gehen. Da schien
es ja so viel zu entdecken zu geben, wenn ihm schon in einer Straße so viel
Neues begegnete. Das war das Problem, wenn man so wie sie in Travemünde wohnte.
War man erst mal zu Hause, verspürte man wenig Lust, noch mal den rund
zwanzigminütigen Weg in die Hansestadt anzutreten, um beispielsweise etwas
essen zu gehen, wenn man das gleiche auch in Travemünde tun konnte.
Er bog nach links in die
Königstraße ein und gegenüber vom Katharineum war das Filmhaus, ein Kino, in
dem die anspruchsvolleren Filme liefen. Früher hatte es an die zehn Kinos
gegeben, aber das war mehr als zwanzig Jahre her. Seit die Film-Zentren in Mode
gekommen waren, hatte ein Kino nach dem anderen dicht gemacht
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