Die Mädchen (German Edition)
anderes als mit
ihren Kollegen.
„Schade.“
„Dein Bruder hat jedenfalls den
Prozess über sich ergehen lassen, ohne die Tat zu leugnen.“
„Hat er gestanden?“
„Hat er. Aber da das gleich nach
der Verhaftung geschah und sein Alkoholpegel jenseits jeglicher Promillegrenzen
lag, war das nicht viel wert. Darauf ist sein Anwalt gleich eingestiegen und
hat ihn dann später widerrufen lassen. Er hat dann behauptet, er könne sich
wegen des Alkohols an gar nichts erinnern.“
„Theoretisch ist das möglich.“
„Ja. Aber wenn deine Theorie
stimmt, dass er unschuldig ist, warum hat er das dann nicht deutlich gesagt?“
Timo zuckte mit den Achseln. „Keine
Ahnung. Aber je mehr ich über den Fall höre, umso mehr glaube ich, dass jemand
anderes das Mädchen umgebracht hat. Es gibt überhaupt keine stichhaltigen
Beweise.“
Sie war nicht überzeugt. „Das mag
aus deiner Sicht vielleicht stimmen. Aber für das Gericht hat es gereicht, ihn
schuldig zu sprechen.“
„Die standen sicher unter gehörigem
Druck und waren froh, als das alles erledigt war.“
„Kann sein. Die Polizei sicher.“
Sie bog in von der Schwartauer Allee in eine Nebenstraße ein. „Was mich an
allem ein bisschen stört, ist die Einseitigkeit der Ermittlungen. Unter meinem
Chef wäre das nicht so abgelaufen, das kann ich dir versprechen. Es sieht so
aus, als ob sie, sobald sie Christopher hatten, die Suche nach anderen
Verdächtigen eingestellt haben. Alle Beweise wurden dann deinem Bruder angepasst,
wenn du verstehst, was ich meine.“
„Man hat halt nicht mehr nach
anderen Erklärungen für die Indizien gesucht, sobald sie auf Christopher
passten.“
„Genau. Und das stinkt mir.“
Er sah sie überrascht an. „Du
scheinst richtig wütend zu sein.“
„Bin ich auch. Wir lernen in
unserer Ausbildung, möglichst unvoreingenommen zu sein. Sicher, manchmal ist
das kaum mehr möglich, aber für uns gilt, dass wir erst einmal in alle
Richtungen ermitteln. Das heißt, wir sammeln Indizien und Aussagen und ziehen
daraus unsere Schlussfolgerungen. Die sind dann zwar auch nicht immer gleich
richtig, aber zumindest ist eine gewisse Objektivität gewährleistet. In diesem
Fall ist man jedoch umgekehrt vorgegangen. Man hat Christopher als den Täter
identifiziert und daraufhin nach Beweisen gesucht, die die Theorie untermauern.
Und das ist falsch.“
„Also ist es durchaus möglich, dass
der Polizei damals ein Fehler unterlaufen ist.“
Sie bemerkte seinen Eifer und
versuchte, ihn zu bremsen. „Versteh mich richtig, ich sag nicht, dass das
Ergebnis, zu dem sie gekommen sind, falsch ist, aber eine gewisse
Nachlässigkeit lässt sich aus den Unterlagen schon ablesen.“
Eine Weile schwieg Timo, wohl um
das Gehörte zu verdauen. „Hat denn eigentlich jemand zu seinen Gunsten
ausgesagt?“
„Außer seiner Mutter? Nein. Und das
ist ihm wohl außerdem zum Verhängnis geworden. Er hatte eine Freundin, die vor
Gericht gegen ihn ausgesagt hat. Du kannst dir sicher vorstellen, was das für
einen verheerenden Eindruck gemacht hat.“
„Klar. Wenn sogar die eigene
Freundin ihn für schuldig hält, wer soll da noch an seine Unschuld glauben? Was
hat sie ausgesagt?“
„So ganz deutlich wird das nicht.
Sie hat sich wohl dahingehend geäußert, dass ihr Freund unberechenbar war, wenn
er etwas getrunken hatte. Dass sie dann auch Angst vor ihm hatte. Und dass er
sich gerne mit kleinen Mädchen abgab.“
„Das war der Nagel zu seinem Sarg.“
„Das war er wohl.“
„Wäre doch interessant, mal mit dem
Mädchen zu sprechen, was sie sich dabei gedacht hat.“
„Jetzt mach nicht denselben Fehler
wie die Polizei. Du gehst davon aus, dass sie gelogen hat, weil du glaubst,
dass dein Bruder unschuldig ist. Du solltest aber auch in Erwägung ziehen, dass
das Mädchen durchaus die Wahrheit gesagt haben kann.“
„Schon gut. Hast du einen Namen?“
„Ja. Marina Schulze. Unter der
Adresse von damals gibt es keine Schulzes. Ich hab auch schon mal im
Telefonbuch nachgesehen, aber eine Marina ist dort nicht geführt. Schulze ist
ja nun auch ein Allerweltsname und vielleicht wohnt sie auch noch bei ihren
Eltern. Das Mädchen war zu der Zeit erst siebzehn, also ist sie jetzt Mitte
Zwanzig. Womöglich ist sie gar nicht mehr in Lübeck.“
„Also unmöglich sie zu finden?“
„Na, ich könnte mit jemandem von
der Staatsanwaltschaft sprechen. Die könnten mir sicher weiterhelfen und mir
zumindest die Namen der Eltern geben. Aber das möchte ich
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