Die Mädchen (German Edition)
ich sie kennen gelernt habe. Obwohl
sie ab heute bestimmt nie wieder was mit mir zu tun haben möchte.“
„Warum wollte sie sich mit dir
treffen?“
Er klang emotionslos, aber sie sah,
wie sich seine Hand um seinen Becher versteift hatte. Seine Knöchel wurden
weiß.
„Sie wollte wissen, was das
zwischen uns ist.“
„Und? Was hast du gesagt?“
„Dass da nichts mehr ist.“
„Wie man heute Nacht gesehen hat.“
Sie machte eine wegwerfende
Handbewegung. „Komm. Zumindest wissen wir jetzt, dass es wirklich so ist.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie hat
Schluss gemacht, schon vergessen? Sie will nichts mehr von mir.“
„Das glaube ich nicht. Du bist ein
Mann und verstehst die Frauen nicht. Sie hat nicht Schluss gemacht, weil sie
dich nicht mehr liebt, sie hat es beendet, weil sie glaubte, gegen mich keine
Chance zu haben. Weil wir unsere Beziehung nicht geklärt haben.“
„Weil sie meint, ich trauere dir
nach?“
„Ja. Ich hatte ihr gesagt, dass ich
dich nicht mehr will, aber das hat nur ihre Angst bestätigt, dass du eben noch
an mir hängst.“
Er trank einen Schluck Kaffee. „Und
dann beendet sie es lieber? Scheint mir nicht so, als ob ihre Gefühle sehr
stark sind.“
Sie verdrehte die Augen. „Mann, sie
hat sich gedacht, lieber ein schreckliches Ende als ein Schrecken ohne Ende.
Sie wollte nicht noch stärker verletzt werden.“
Er dachte darüber nach, während er
aus seinem Becher trank. „Okay. Aber im Moment beschäftigt mich etwas anderes.
Weißt du, was mir noch eingefallen ist? Wir könnten mal im Gefängnis
vorbeischauen. Vielleicht gibt es ja einen Zellengenossen, der uns was über
Christopher erzählen kann.“
Luisa war demnach abgehakt. Vorerst
zumindest. Sie würde bei Gelegenheit auf sie zurückkommen. „Das können wir
versuchen, aber ob das was bringt? Ich meine, dein Bruder hat ja nie behauptet,
unschuldig zu sein.“
„Das ist richtig. Aber er hat
damals auch nicht vor Gericht ausgesagt. Wahrscheinlich auch ein Rat seines
Anwalts. Vielleicht hatte er Angst, dass er eine noch höhere Strafe kriegt,
wenn er im Kreuzverhör einen schlechten Eindruck hinterlässt.“
Jetzt verstand sie, was er meinte.
„Und es könnte sein, dass er im Gefängnis darüber gesprochen hat.“
„Ja. Ich weiß auch nicht, was ich
mir davon verspreche. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube
ich, dass er nicht verantwortlich war.“
„Aber da musst du versuchen, einen
Termin zu bekommen.“
„Hoffentlich kriege ich überhaupt
eine Auskunft.“
„Selbst wenn, der Zellennachbar
muss bereit sein, sich mit dir zu unterhalten.“
„Mit uns.“
„Ich soll mit? Bist du sicher?“
„Bitte.“ Er sah sie eindringlich
an.
Wie konnte sie bei diesen grünen
Augen nein sagen?
Marius Keller klingelte an der Tür
seines ehemaligen Hauses. Auch nach fünf Jahren war es immer noch komisch, dass
er nicht einfach mit einem Schlüssel hineingehen konnte, wie er es zehn Jahre
lang getan hatte. Alte Gewohnheiten brannten sich scheinbar auf ewig ins Gedächtnis
ein. Die Tür ging auf und Almut stand vor ihm. Sie war ungeschminkt und machte
einen etwas müden Eindruck, aber sie sah toll aus. Eigentlich verwunderlich,
wenn man bedachte, dass sie eben ihre Tochter verloren hatte. Ihre neue
Kurzhaarfrisur passte super zu ihr. Und dass ihm das alles auffiel, sagte ihm
einiges.
Als sie ihn sah, verdrehte sie die
Augen. „Marius. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, dass du einfach
so hier auftauchst.“
Sie spielte auf Samstag an. Es war
ihr unangenehm, dass sie sich ihm gegenüber schwach gezeigt hatte. Da ging es
ihr nicht anders als ihm. „Ich bin nicht hier, um alte Zeiten aufleben zu
lassen. Und streiten will ich auch nicht mit dir. Lässt du mich rein?“
Statt einer Antwort öffnete sie die
Tür weiter. Er ging in sein altes Haus, in dem sich außer ein paar neuen
Anstrichen wenig verändert hatte. Aber warum hätte Almut auch die Möbel entsorgen
sollen? Er betrat das Wohnzimmer und setzte sich unaufgefordert auf die Couch.
„Bist du allein?“
„Judith ist oben.“
„Kannst du sie holen? Was ich mit
dir besprechen möchte, geht euch beide etwas an.“
„Soll ich uns einen Kaffee machen?“
Warum nicht? Er hatte zwar schon
eine halbe Kanne intus, aber von Koffein konnte er eh nicht genug kriegen.
„Gern. Rufst du Judith runter?“
Er sah zu, wie Almut den Kaffee
vorbereitete. „Ich glaube, das möchte ich im Moment lieber nicht
Weitere Kostenlose Bücher