Die Mädchen (German Edition)
uns
gestern erzählt, aber er war deswegen nicht hier. Er wollte Judith sprechen.“
Marius stellte seinen Becher ab und
starrte sie an. „Was? Wieso? Weil sie Sina als letzte gesehen hat?“
„Ich wollte es dir eigentlich nicht
sagen, aber na schön. Er glaubt, dass sie gelogen hat.“ Sie erklärte ihm,
wonach Funke gefragt hatte.
„Und sie glauben dem perversen
Kleinkriminellen mehr als unserer Tochter.“ Es war mehr eine entgeisterte
Feststellung als eine Frage.
„Ja.“
Er musterte sie interessiert. Ihr
Ton war ihm nicht entgangen. Vielleicht kannte er sie doch noch immer ziemlich
gut. „Komm, Almut, spuck’s aus. Da ist doch noch mehr.“
„Ich glaube, Funke hat Recht.
Judith hat ihn angelogen.“
„Was?“
„Ich kenne sie. Und Funke war sich
zu sicher. Der hat noch einen Trumpf im Ärmel, den er noch für sich behalten
hat.“
Er überlegte einen Moment und hielt
sich dann erschrocken die Hand vor den Mund. „Mein Gott, denkt er, dass Judith
etwas damit zu tun hat? Aber warum sollte sie ihrer Schwester etwas antun?“
Sie verdrehte vielsagend die Augen.
„Wegen Bent natürlich.“
Das konnte nicht sein. Auf keinen
Fall. Er würde das niemals glauben. „So ein hirnverbrannter Schwachsinn.“ Er
hielt inne, als er ihren Gesichtsausdruck sah. „Moment mal, du glaubst das doch
nicht etwa?“
Sie atmete hörbar ein und aus.
„Ganz ehrlich? Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Und Judiths
Reaktion war echt merkwürdig.“
Er schüttelte den Kopf. „Du kannst
nicht im Ernst annehmen, dass Judith etwas damit zu tun hat. Komm, Almut.“
Sie zögerte ein wenig und er
spürte, dass sie ihm etwas verheimlichte. Es war schon komisch, wie gut er sie
immer noch lesen konnte, obwohl sie schon so lange getrennt waren. „Da ist noch
etwas.“
„Ja.“ Ihre Stimme war kaum mehr als
ein Flüstern. „Wenn es nur die Lüge wäre...Aber ich hab etwas entdeckt.“
„Was?“
„Komm mit.“ Sie erhob sich und
führte ihn in die Garage. Gespannt sah er ihr dabei zu, wie sie sich an der
alten Kommode zu schaffen machte, die dort herumstand. Und als er sah, was sie
dort herausholte, stockte ihm der Atem.
„Was zum Teufel...“
Sie erzählte ihm davon, wie sie
Sinas Sachen gefunden hatte.
„Was hat das zu bedeuten?“
Sie sah ihn an, als ob sie dachte,
er wäre zurückgeblieben. „Na was wohl?“
„Du meinst, Sina hat das Haus nie
verlassen? Sie ist hier ermordet worden?“
„Das liegt doch wohl auf der Hand.“
Er überlegte fieberhaft. Da musste
es doch noch eine andere Möglichkeit geben. „Vielleicht hat Judith sich mit den
Sachen, die Sina anhatte, auch geirrt. Und als sie sie gefunden hat, dachte
sie, es wäre besser, wenn sie sie irgendwo versteckt.“
Es klang lahm. Almut zog nur die
Augenbrauen hoch. Er hob beide Hände. „Ist ja gut. Aber es ist nicht gesagt,
dass Judith das war. Wir wissen doch, dass Sina etwas vorhatte, sich mit jemandem
treffen wollte. Vielleicht hat derjenige sie ja hier abgeholt.“
Almut riss die Augen auf. „Das
könnte natürlich sein. Darauf bin ich noch gar nicht gekommen.“
Er musste sich wirklich wundern,
wie schnell sie bereit war, anzunehmen, ihre Tochter wäre eine Mörderin,
anstatt nach Szenarien zu suchen, die sie entlasteten.
„Du hast der Polizei nichts davon
gesagt?“
„Nein.“
Er nickte. „Das ist gut. Deshalb
bin ich nämlich hier. Ich habe nicht das Gefühl, dass die wirklich etwas finden
werden. Und ich wollte dir und Judith vorschlagen, dass wir mal gemeinsam überlegen,
was Sina zugestoßen sein könnte.“
Sie machte ein verblüfftes Gesicht.
„Du willst Detektiv spielen?“
Wenn sie es so ausdrücken wollte...
„Ich finde, wir sollten alle unsere Streitigkeiten vergessen und mal
zusammentragen, was wir über den letzten Mittwoch wissen. Wenn wir ehrlich
zueinander sind, auch was Sina betrifft, finden wir vielleicht etwas, das die
Polizei übersehen hat. Was meinst du?“
„Schaden kann es ja nicht.“
„Eben. Und als erstes müssen wir
wohl mal mit Judith reden.“
Simon Grothe war nicht überrascht,
als er die Tür öffnete und die beiden Kriminalbeamten davor stehen sah, die sie
am Morgen nach Merles Verschwinden aufgesucht hatten. Wortlos ließ er sie eintreten
und nahm mit ihnen im Wohnzimmer Platz. Er wusste, dass sie ihm gegenüber nicht
freundlich gesinnt waren und verzichtete deshalb auch auf Höflichkeiten, wie
ihnen etwas anzubieten.
„Möchten Sie uns nicht etwas
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