Die Mädchen (German Edition)
schmeckte ihr nicht, dass sie sich vor ihrer
jüngeren Schwester rechtfertigen sollte, nur weil deren Mann mal wieder mies
gelaunt war.
„Es hat halt etwas länger
gedauert“, sagte sie in ungeduldigem Ton. „Ich musste mit den Kunden noch zu
Abend essen.“ Es war fast die ganze Wahrheit.
Birthe seufzte. „Also Almut, so
geht das nicht weiter.“
Sie hatte keine Lust, sich jetzt
eine Moralpredigt über Mutterschaft anzuhören. Die bekam sie schon in steter
Regelmäßigkeit von ihrem Ex. Und diesen resignierenden Unterton, so nach dem
Motto ‚was soll man mit dir bloß noch
machen?’ kannte sie eh schon zur Genüge.
„Bitte lass uns das ein anderes Mal
besprechen, ja? Hast du eine Idee, wo die beiden sein könnten?“
Ihre Schwester zögerte einen
Moment, so als ob sie überlegte. „Na ja, Sina ist bei Marius, denke ich. Sie
hat mir gestern erzählt, dass sie bei ihm schlafen wollte.“
In Almut verkrampfte sich alles.
Sie wusste sofort, dass hier etwas nicht stimmte. „Hättest du mir das nicht
gestern schon sagen können?“
„Entschuldige bitte“, sagte Birthe
in gereiztem Ton, der ihre Worte Lügen strafte. „Aber Sina hat mich darum
gebeten, es vorerst niemandem zu sagen. Es hat etwas mit einer Überraschung zu
tun.“
„Und was für eine sollte das sein?“
Dass sie nicht bei ihrem Vater war?
„Das hat sie nicht gesagt.“
Weil es keine gab. „Vielleicht wäre
es trotzdem gut, wenn du mich in Zukunft aufklärst, wenn meine Tochter solche
Pläne hat.“
„Jetzt mach aber mal einen Punkt,
Almut.“ Birthe wurde lauter. „Was soll ich denn machen, wenn deine Tochter mich
um einen Gefallen bittet? Ablehnen? Du weißt doch selbst, dass es in letzter
Zeit nicht eben gut mit uns läuft. Und außerdem tust du, als ob Gott weiß was
passiert ist. Sina ist vierzehn und keine vier.“
War klar, dass sie es so sehen
musste. Sie wusste es ja nicht besser. „Sina hat ganz klare Ansagen bekommen.
Sie hat sich bei mir abzumelden, wenn etwas ist. Ich bin für sie immer erreichbar
und du weißt das auch.“
„Sie hat mir versprochen, dich
anzurufen.“
„Dann hättest du dich vergewissern
müssen, dass sie das auch tut.“
„Ich glaub, es geht los. Das Ganze
scheint ja wohl eher ein Kommunikationsproblem zwischen euch beiden zu sein.
Ich lass mir jetzt dafür nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Wessen Tochter
ist Sina denn? Was kann ich dafür, wenn sie es nicht für nötig hält, mit dir
darüber zu reden. Ich bin jedenfalls davon ausgegangen, dass das in Ordnung
geht.“
„Geht es nicht.“
„Almut, worum geht es hier? Hast du
schlechte Laune? Dann lass sie bitte an jemand anderem aus. Ich bin echt zu
müde für diesen Scheiß.“
Almut gab es auf. Ihre Schwester
würde sie ohnehin nicht verstehen, aber wie sollte sie auch? „Und Judith?“
„Von ihr hab ich heute nichts
gehört und nichts gesehen, aber wenn du mich fragst, ist sie bestimmt mit
diesem Bent unterwegs.“
Großartig. Gab es den immer noch.
„Okay, danke. Ich ruf dann mal bei Marius an.“
Sie drückte das Gespräch weg, ohne
auf eine Antwort zu warten und ließ die Nummer ihres Exmannes anwählen.
„Bei Keller.“
Die liebe Janine. Was hatte sie für
ein Glück, dass sie auch noch mit der sprechen musste? „Keller“, meldete sie
sich. Überflüssig, sich erst großartig mit Begrüßungsfloskeln aufzuhalten. Sie
mochte Janine nicht und das beruhte definitiv auf Gegenseitigkeit. Warum sollte
sie ihr einen guten Abend wünschen, wenn es ihr scheißegal war, ob sie einen
solchen hatte?
„Ich hätte gern meinen Exmann
gesprochen. Es ist dringend.“
„Ich hole ihn.“
Tu das, du dumme Nuss. Diese Piepsstimme passte zu ihrem billigen Äußeren. Was Marius an
dieser dämlichen Blondine fand, die jedes Klischee erfüllte, war ihr absolut
schleierhaft. Zugegeben, sie hatte große Dinger und eine tadellose Figur, aber
man wollte sich doch auch mal mit dem Partner unterhalten können. Und zu einem
vernünftigen Gespräch war die doch gar nicht fähig. Was seine Freunde wohl
hinter seinem Rücken dazu sagten?
Nanu? Almut starrte auf den Hörer.
Das war doch das Besetztzeichen. Da hatte die dämliche Gans doch tatsächlich
das Gespräch weggedrückt. Wie konnte jemand nur mit soviel Blödheit geschlagen
sein? Sie drückte wutentbrannt auf den Knopf mit dem roten Hörer, der das
Gespräch beendet. Nahezu umgehend klingelte ihr Apparat. Marius war anscheinend
klar, dass es etwas Wichtiges war.
„Hast du gemerkt,
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