Die Mädchen (German Edition)
ich kann schließlich
nicht Tag und Nacht auf sie aufpassen.“
Wie sollte sie auch? Sie tat doch
schon mehr als genug und außerdem hatte sie ja auch ein eigenes Leben und einen
Mann, der ebenfalls Zeit von ihr forderte.
„Das muss er doch eingesehen
haben.“
Birthe sah sie an, als ob sie von
einem anderen Stern kam. „Wir reden hier von deinem Vater. Und für ihn bin ich
in erster Linie die Schwester seiner Exfrau, also eine Verbündete des Feindes,
eine Abgesandte des Teufels.“
Judith konnte nicht anders und
lachte laut los. Diese Theatralik ihrer Tante war echt unbezahlbar. Birthe
stimmte mit ein.
„Im Ernst“, sagte sie dann. „Ich
weiß, Marius ist dein Vater und das wird auch immer so sein, ich will dich da
auch gar nicht beeinflussen, aber ich sehe ihn halt aus einer ganz anderen
Position. Ich weiß genau, dass er mich nicht ausstehen kann und mich nur in
Kauf nimmt, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.“
Judith wurde es plötzlich ganz
komisch. „Wie meinst du das?“
„Er weiß, dass es eigentlich kein
Zustand ist, dass ihr beide bei eurer Mutter geblieben seid. Ich meine, wie
viel Zeit verbringt ihr denn schon mit Almut? Das war ja vor der Scheidung
nicht anders. Er hätte euch zu sich holen müssen, aber er hat sich auf den Deal
mit mir eingelassen, weil er seine liebe Janine nicht belasten wollte.“
So gesehen, war da wohl etwas dran,
obwohl Judith sich nicht vorstellen konnte, mit Janine, Ninchen, wie ihr Vater
immer sagte, unter einem Dach zu leben. Da war die jetzige Regelung viel
besser.
„Jedenfalls meinte dein Vater dann,
wenn Almut nicht dazu in der Lage ist, muss ich mich eben darum kümmern. Und
wenn da nicht bald etwas passiert, kürzt er das Geld.“
Geld als Druckmittel einzusetzen,
sah ihrem Vater ähnlich. „Welches Geld meint er?“
Birthe zuckte die Achseln. „Meins,
nehme ich an. Soweit ich weiß, hat er Almut das gleiche angedroht.“
Dass Birthe Geld von ihrem Vater
bekam, hörte Judith zum ersten Mal, und es traf sie. Es war ohne Frage
gerechtfertigt, weil sie wirklich viel für sie und Sina tat, aber dennoch war
sie darüber ein wenig enttäuscht, weil sich dadurch alles, was Birthe tat,
plötzlich in einem anderen Licht zeigte. Irgendwie hatte ihre Hilfe plötzlich
eine andere, niedrigere, Qualität.
Birthe war nicht entgangen, dass
sie betroffen war. „Verdammt, es war eigentlich ausgemacht, dass ihr das nicht
erfahrt.“
Judith winkte ab. „Ist schon gut.“
„Hör mal, Judith. Es ist eine Abmachung zwischen deinem Vater und mir.
Es hat mit euch nichts zu tun.“
Als ob. „Macht nichts, wirklich.“
Birthe war nicht überzeugt. „Okay,
aber bitte versprich mir, dass du Sina nichts davon sagst, okay?“
„Versprochen.“ Sie konnte sich gut
vorstellen, dass Sina darüber sehr enttäuscht gewesen wäre. „Hast du denn schon
mit ihr gesprochen wegen der Klamotten und so?“
„Allerdings. Und dafür brauchte ich
die Drohung deines Vaters nicht. Ich finde es ja selbst unmöglich, was deine
Schwester sich da antut. Und woher hat sie überhaupt diese Klamotten? Weißt du
das?“
„Keine Ahnung. Als ich sie gefragte
habe, hat sie nur gesagt, ich solle mich um meinen eigenen Scheiß kümmern.“
Birthe seufzte. „So was Ähnliches
hab ich auch zu hören bekommen. Ich frag mich nur, was sie damit bezweckt.“
„Aufmerksamkeit.“
„Die Frage ist nur von wem.“
Eine Frage, die sie noch nicht
geklärt hatten, trotz der zahlreichen Auseinandersetzungen, die es deswegen mit
Sina gegeben hatte.
Judith sah wieder auf die Uhr und
stellte fest, dass weitere zehn Minuten vergangen waren. Also, wenn Bent nicht
innerhalb der nächsten fünf Minuten da war, würde sie allen Mut zusammennehmen
und in die Kneipe gehen, um nach ihm zu suchen. Sie hatte kaum diesen Entschluss
für sich gefasst, als er breit grinsend mit seinem Helm über dem Arm den Schuppen
verließ.
„Na endlich“, sagte sie und rollte
genervt mit den Augen. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“
Sein Grinsen verschwand und
stattdessen runzelte er die Stirn. „Nun mach mal halblang, es ist ja noch nicht
mal halb elf.“
Typisch. Er dachte nur an sich.
„Mein Wecker geht morgen um halb sieben und ich will ausgeschlafen sein.“
„Ist ja gut, wir fahren ja jetzt.“
„Was hast du überhaupt da drin zu
tun gehabt? Mich hätten da keine zehn Pferde rein gekriegt.“
Er grinste wieder. „Ich sag mal so.
Ich hab was an den Mann gebracht.“
Super, genau
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