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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Aufforderung besser Folge leisten sollte. Doch er nahm all seinen Mut zusammen. »Aber ich muss …«
    »Was musst du?«, brummte der Glatzkopf.
    Sams Finger hielten den Riemen seines Rucksacks umklammert. »… mit meiner Schwester sprechen.«
    »Ey, siehst du sie hier irgendwo?«
    »Sie ist … bei Zack.«
    Der Glatzkopf trat einen Schritt vor. »Zack ist nicht hier, also machst du jetzt besser die Biege oder …«
    »Ich kann auch meinen Onkel rufen«, hörte Sam sich sagen, »der ist nämlich Polizist.« Noch während die Worte aus ihm herausplatzten, verfluchte er sich.
    »Schlechte Antwort«, knurrte der Typ mit der Kappe und riss die Faust nach oben.
    Sam sprang weg, stolperte über die steinerne Umrandung der Blumenbeete und schlug der Länge nach ins Gras. Der Glatzkopf packte ihn am Kragen.
    »Ihr da!«, brüllte eine Stimme vom Nachbargrundstück. »Wollt ihr wohl …«
    Der Glatzkopf ließ von Sam ab. »Wir helfen doch nur.«
    »Er ist hingefallen.« Der Typ mit dem Kaugummi half Sam auf die Beine. Beide zogen von dannen, aber nicht ohne Sams Mountainbike noch einen Stoß zu verpassen. Scheppernd fiel es auf den Bürgersteig.
    »Alles in Ordnung?«, fragte der Nachbar, ein älterer Mann mit grauem Haarkranz.
    Sam betastete seinen Fuß. Er schmerzte an der Stelle, wo er gegen den Stein geprallt war. Aber zum Glück schien dem Zeh nichts passiert zu sein. »Ich suche Zack.«
    Der Nachbar beäugte ihn. »Bist du nicht ein bisschen zu jung dafür?«
    Sam hatte keine Ahnung, wofür er zu jung sein sollte. »Ich suche meine Schwester. Sie ist bei Zack.«
    »Den hab’ ich schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Zum Glück.«
    Niedergeschlagen hob Sam sein Fahrrad auf und schwang sich auf den Sattel. Wegen seines schmerzendes Fußes kam er nur langsam voran. Zu allem Übel schob der Wind immer mehr Regenwolken heran. Kurzerhand wählte Sam eine Abkürzung durch den Wald. Der Weg war unbefestigt und beschwerlich zu befahren, sparte aber mindestens drei Kilometer ein. Obwohl Sam seine Rückkehr gerne noch etwas hinausgezögert hätte. Nachdem er nichts erreicht hatte, graute es ihm vor zu Hause und vor der Reaktion seiner Mutter. Er konnte nur hoffen, dass es ihre Wut etwas milderte, wenn er ihr von Zack und Lisa erzählte.
    Und dann würde er mit seinem Onkel reden.
    Der Wind trieb einen Singsang an Sams Ohr. Gleich darauf verstummte das Geräusch. Plötzlich war es unnatürlich still. Kein Knistern und Knacken, mit dem Rehe oder Hasen durchs Gehölz sprangen. Keine Rufe wilder Vögel. Nicht einmal das Summen der Hornissen. Sam stierte in den Wald. Da war nichts. Er sah wieder nach vorne.
    Jemand trat zwischen den Bäumen hervor.
    Alex befühlte den Briefumschlag. »Von wem ist das?«
    »Von dem Mann da drüben.« Mit nikotingelbem Finger zeigte der junge Mann zu einer Sitzbank auf dem Grünstreifen. »Oh, er ist verschwunden.«
    »Wissen Sie, wer es war?«
    »Nein, er hat mich nur gebeten, Ihnen diesen Brief zu geben.«
    Alex durchsuchte seine Erinnerung nach einem Mann, der ihm vorhin auf der Parkbank aufgefallen sein könnte. Vergebens. Sein Blick tastete die Leute ab, die über die Bürgersteige gingen. »Haben Sie …?«, begann er eine Frage und drehte sich wieder zu dem jungen Mann um. Doch dort stand niemand mehr. »Warten Sie!«
    Aber im nächsten Moment war der Mann zwischen einem Bus und einem Lkw verschwunden. Alex prüfte das Kuvert in seinen Händen. Es war nicht sonderlich schwer. Gizmo sah ihn erwartungsvoll an.
    »Keine Ahnung, was da drin ist«, murmelte Alex.
    Der Retriever leckte sich die Lefzen.
    Alex seufzte. »Ganz sicher nichts zu fressen.«
    Als er den Umschlag öffnete, flatterte Papier in seinen Schoß. Zeitungsausschnitte. Drei Jahre alt. Alex erkannte die Bilder sofort – die Gesichter vermisster Mädchen, hübsch, schlank, langes, schwarzes Haar. Die ermordeten Mädchen! , schoss es Alex durch den Kopf. Er erkannte sein eigenes Gesicht, wie es in die Kameras der Journalisten blickte, gehetzt und verzweifelt. Darüber prangten in großen Lettern die Überschriften. Die Bestie hat wieder zugeschlagen! Polizei tappt im Dunkeln!
    Wie eine Drohung hatte jemand mit einem schwarzen Filzmarker drei Worte quer über die Zeitungsberichte geschrieben:
    Sieh die Mädchenwiese!
    Alex sprang auf, und Gizmo rannte hinter ihm her.
    »Hallo, Sie«, rief der Kellner, »Sie müssen bezahlen.«
    Alex blieb abrupt stehen. Sein Herz raste, das Blut kochte in seinen Adern. Mit zitternden Fingern holte

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