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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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er einen Geldschein aus seinem Portemonnaie und warf ihn auf den Tisch. Er sah noch, dass es ein 50-Euro-Schein war, im nächsten Moment war er bereits auf dem Weg zu seinem Auto.
    Sam riss den Lenker herum und trat so heftig auf die Bremse, dass sein Hinterrad zur Seite ausbrach. Der Vorderreifen überrollte eine Wurzel – und die Welt stand kopf.
    Sam knallte zu Boden, doch Laub federte seinen Aufprall ab. Die Schulbücher in seinem Rucksack bohrten sich in seinen Rücken, und sein Mountainbike landete im Farn neben ihm. Der Hinterreifen krachte auf seinen Fuß.
    Während Sam sich noch unter Schmerzen wälzte, vernahm er Schritte. Seltsamer Gesang drang an sein Ohr.
    Sam biss die Zähne zusammen und wagte nicht mehr, sich zu bewegen. Murmelnd schlurfte die alte Kirchberger über den Waldweg. Ohne sich um Sam zu kümmern, ging sie an ihm vorüber. Entweder hatte sie ihn nicht bemerkt, oder es war ihr gleichgültig. Er hielt die Luft an und spürte, wie sein Herz pochte. Er konnte kaum verstehen, was die alte Frau nuschelte. Wirre Worte, die keinen Sinn ergaben.
    Nach ein paar Metern verließ sie den Pfad. Blätter raschelten, und Zweige knackten, als sie sich ins Unterholz schlug. Plötzlich war sie verschwunden, als ob Sams Sinne ihm einen Streich gespielt hätten. Jetzt konnte er sogar wieder das Zwitschern der Vögel hören. Und den Ruf eines Kormorans.
    Erleichtert ließ Sam seinen Kopf zu Boden sinken und schnappte nach Luft. Der Gestank von Fuchskot drang ihm in die Nase. Sam kroch etwas weiter. Im Strauch neben ihm wob eine Spinne ihr Netz. Im Laub krabbelten fette Asseln. Aber das war allemal besser als der widerliche Gestank.
    Nachdem sich sein Herzschlag normalisiert hatte, untersuchte er seinen Zeh. Er war nicht schon wieder gebrochen. Solange er den Fuß nicht zu stark belastete, waren die Schmerzen erträglich. Sein Mountainbike dagegen war schlimmer in Mitleidenschaft gezogen. Im Vorderreifen war eine Acht.
    Während er das Fahrrad heimwärts schob, ärgerte er sich über sich selbst. Was um alles in der Welt hatte ihn bloß so erschreckt? Die alte Kirchberger ? Er wusste doch, dass es nur wilde Geschichten waren, die die Kinder im Dorf sich erzählten. Das war nur Gerede, nichts weiter als Blödsinn. So wie ihr komischer Singsang. Bruchstücke ihres Gestammels kamen ihm in den Sinn. Irgendetwas über –
    Über ein junges Mädchen.
    Sam blieb wie angewurzelt stehen.
    Ihre Schönheit , hatte sie gesungen. Und: Ihr Schmerz.
    Auf einmal konnte Sam gar nicht schnell genug nach Hause humpeln.
    Schnell! Mach schon! Zieh den Sack wieder über!
    Lisa stülpte ihn sich über den Kopf. In derselben Sekunde klirrten Schlüssel. Lisa sank auf die Knie und überkreuzte ihre Arme auf dem Rücken. Knarrend ging die Tür auf.
    Etwas schepperte. Gleich darauf raschelte es. Dann wieder Stille. Sekunden schienen wie Minuten. Lisa rührte sich nicht.
    In ihrem Kleidchen war sie den gierigen Blicken ihres Entführers hilflos ausgeliefert. Trotzdem zwang sie sich zum Stillhalten. Dass eine Gänsehaut ihren Körper überzog, konnte sie nicht verhindern. Warum trägst du so knappe Sachen? , hallte die Stimme ihrer Mutter durch ihren Verstand.
    Hätte sie am Freitag doch bloß auf ihre Mutter gehört. Stattdessen war sie wütend aus dem Haus gestürmt und zur Telefonzelle gerannt, wo ihr kleiner Bruder ihr aufgelauert hatte.
    Du kommst doch zurück, oder? , hatte er gefragt.
    Schlagartig wich Lisas Panik einem anderen Gefühl. Es war keine Wut, nicht einmal Trotz. Eigentlich war es nur ein Gedanke, aber einer, der ihr Mut machte. Sie sagte: »Man wird …«
    Eine brutale Ohrfeige warf sie zu Boden.
    »Man wird nach mir suchen«, presste sie hervor.
    Der zweite Hieb traf sie an der Schläfe. Ihr wurde schwarz vor Augen. Wie aus weiter Entfernung hörte sie Schritte und das Krachen der Gittertür. Der Schmerz in ihrem Kopf war unerträglich.
    »Lisa?« Silke hustete.
    Lisa quälte sich auf und befreite sich von dem Sack. Die Beule an ihrer Schläfe war aufgeplatzt. Blut rann über ihre Wange. Sie sah sich nach etwas um, womit sie die Blutung stillen konnte, aber in der Zelle war nichts, außer dem Kleid, das sie am Körper trug. Ihr Blick fiel auf ein Tablett neben der Matratze, auf dem eine Schüssel mit klarer Brühe, zwei Schnitten Brot, ein kläglicher Haufen Kartoffeln und ein Glas Wasser standen.
    Lisa erschien nur das Wasser verlockend. Sie leckte sich die trockenen Lippen, doch zunächst musste sie ihrer drückenden

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