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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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schaute auf das Display: Schöffel. Alex drückte den Anruf weg. »Warst du sauer auf Lisa?«
    »Ey, wieso denn? Das war doch nichts Ernstes mit uns. Das war …«
    »Alex!« Schon wieder Paul.
    Alex winkte ab. »Nichts Ernstes für dich vielleicht.«
    »Blödsinn, für sie auch nicht. Sie hatte doch schon ’nen neuen Typen an der Angel, hat sie zumindest gesagt, ey, Scheiße, irgendeinen Typen aus …«
    »Alex!« Inzwischen klang Paul ernsthaft besorgt. Er zeigte zum Haus der Zachowskis. Zwei Polizeifahrzeuge bremsten am Straßenrand. Aus einem der Einsatzwagen sprang Frank Theis. Wie ein tollwütiger Stier durchpflügte er die Brennnesseln – geradewegs auf Alex zu.
    Kapitel 35
    Der Sonnabend darauf war einer der letzten warmen Herbsttage, die wir in jenem Jahr in Finkenwerda erlebten. Meine Freundin Regina war zu Besuch bei ihren Eltern, und zwischendurch überredete sie mich zu einem Picknick.
    »So wie früher«, sagte sie und stupste mich augenzwinkernd an. »Erinnerst du dich noch?«
    Ich hatte keine Ahnung, wie lange es her war, dass wir das letzte Mal auf unserer Wiese zusammengekommen waren, dort, wo wir als Mädchen so viel geschnattert und gekichert hatten. So viel war seither geschehen.
    »Berta, Liebes, nun erzähl schon«, sagte sie und breitete die Picknickdecke auf der Wiese aus. »Wie fühlt es sich an, dein Leben als Ehefrau?«
    Ich dachte kurz nach. »Anders.«
    »Anders?« Sie brach in Lachen aus. »Na, hör mal, du bist jetzt verheiratet, noch dazu mit einem Mann, um den dich alle Frauen im Ort beneiden. Ferdinand ist gutaussehend und vornehm, bei allen beliebt, weil er immer hilft, wenn im Dorf etwas benötigt wird. Und dir fällt nichts Besseres ein als – anders?«
    Ich hob den Blick zu den mächtigen Eschen und Ulmen, blinzelte in die Sonne, deren Strahlen durch das löchrige Laubdach fielen und das Wasser am Spreeufer unweit der Lichtung zum Glitzern brachten.
    Plötzlich fiel es mir ein: Das letzte Mal, dass wir uns mit Decke und Brotkorb in den Wald aufgemacht hatten, war wenige Monate nach dem ersten Übergriff meines Onkels gewesen. Auch damals hatte Regina sich nach meinem Befinden erkundigt. Und so wie damals wollte mir auch jetzt keine Antwort einfallen.
    Ich nahm Stullen, Wurst und Käse aus meinem Korb. Sofort stürzten sich zwei Fliegen darauf. Mit einer Handbewegung scheuchte ich die Insekten fort, in der Hoffnung, auf diese Weise auch meine verwirrenden Gedanken zu vertreiben. Aber es gelang nicht, natürlich nicht. Einige Tage waren seit meiner Hochzeit verstrichen. Noch immer kam mir mein neues Leben eigentümlich und fremd vor. Es gab so viele Dinge, an die ich mich gewöhnen musste. Sie waren …
    »Anders eben«, sagte ich, weil es dem Durcheinander in meinem Kopf am nächsten kam.
    Ich gebe zu, etwas Klarheit erhoffte ich mir vom folgenden Abend, an dem mich Ferdinand ins Theater ausführen wollte. In den Wochen vor unserer Hochzeit, die erfüllt gewesen waren von den Festvorbereitungen, hatten wir kaum Zeit für unser eigenes Vergnügen gefunden. Ich freute mich auf einen unterhaltsamen Abend zu zweit.
    Am Abend, nachdem ich von meinem Treffen mit Regina aus dem Wald zurückgekehrt war und mich geduscht hatte, stand ich lange unschlüssig vor dem Kleiderschrank. Groß war die Auswahl nicht, deshalb entschied ich mich für das grüne Kleid meiner Tante, weil ich mich besonders feinmachen wollte.
    »Berta!«, rief Ferdinand von unten.
    Rasch lief ich hinunter ins Wohnzimmer. »So, jetzt können wir fahren.«
    »Du hast Blumen gepflanzt.« Mit einer Karo zwischen den Lippen blickte mein Mann in den Garten.
    Ich sog den Geruch seiner Zigarette ein. »Es ist schön, oder?«
    »Nein.«
    Ich sah ihn überrascht an. »Aber deine Pflanzen waren verwelkt. Ich dachte, dir gefällt es, wenn ich mich um den Garten kümmere.«
    »Überlass den Garten mir.«
    »Ja«, sagte ich, weil mir nichts anderes einfiel.
    »Gut.« Er drehte sich um. »Dann können wir ja jetzt …« Er legte die Stirn in Falten. »Was soll das Kleid?«
    »Was ist damit?«
    »Es ist grün. Das gefällt mir nicht. Zieh es aus!«
    Wie von selbst setzte ich mich in Bewegung. Vor der Treppe blieb ich stehen. Ich drehte mich um. Meine Stimme war nur ein Flüstern. »Ferdinand?«
    »Ja?«
    »Kannst du dich an den ersten Abend erinnern, als du mich ins Theater ausgeführt hast?«
    »Was war da?«
    »Da habe ich dieses Kleid getragen.«
    »Ja, da hat es mir auch schon nicht gefallen.«
    Eine Ohrfeige hätte mich

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