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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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Motorengeräusche. Das
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    große Wellblechtor wurde aufgestoßen. Es war noch
    immer dunkel. Menschen gingen über die Veranda mit Gaslampen in der Hand. Sie unterhielten sich. Was war los? Ich holte tief Luft und versuchte, wieder ruhig zu werden. Einer der Soldaten erwachte und stieß die
    anderen beiden mit dem Fuß an. Sie standen auf.
    Die fünf oder sechs Männer, die in den Raum kamen, hatte ich noch nie gesehen. Ich fühlte mich hilflos, wie man sich als Kind fühlt, wenn man von der gegnerischen Straßenbande in die Enge getrieben wird. Sie ragten im Halbdunkel und im flackernden Lichtschein über mir auf.
    Als man meine Hand von der Wand losmachte, war sie weit über das Stadium hinaus, wo sie wie Nadelstiche brannte. Sie war geschwollen und völlig taub. Zwei Männer packten mich rechts und links und hievten mich hoch. Jemand gab mir meine Stiefel, doch meine Füße waren so geschwollen, daß ich sie nicht anziehen konnte.
    Ich trug sie, wie eine Oma ihre Handtasche trägt, gegen die Brust gepreßt. Ich wollte sie behalten; ich wollte nicht bis zum Ende meiner Tage ohne Schuhe herumlaufen.
    Während sie mich nach draußen schleppten, stöhnte
    und ächzte ich übertrieben. Ich muß ziemlich bescheuert ausgesehen haben. Die Jungs taten so, als seien sie richtig mitfühlend. Einer zog ein besorgtes Gesicht und sagte:
    »Du machst uns ja echt Kummer.«
    Die kalte Luft schlug mir entgegen. Es war ein
    erfrischendes, stärkendes Gefühl, aber ich wäre lieber wieder im gemütlich warmen Zimmer bei meiner Tante gewesen. Ich fing an zu zittern. Es war ein klare Nacht.
    Wenn es uns gelang abzuhauen, würden wir problemlos 336
    wissen, wo Westen lag.
    Niemand sagte, wo es hinging. Sie schleppten mich
    weiter, und ich mußte lächerlich kleine Schritte machen, da meine Füße mich nicht richtig trugen. Wir blieben neben einem LandCruiser stehen, und sie stießen mich auf die Rückbank, die Schuhe auf dem Schoß. Sie zogen meine Handschellen an und verbanden mir so fest die Augen, daß es weh tat.
    Ich versuchte, mich nach vorn zu beugen, um den
    Kopf auf den Sitz vor mir zu legen, doch eine Hand stieß mich zurück in eine aufrechte Sitzhaltung. Das Licht der Innenbeleuchtung schimmerte durch die Augenbinde. Ich konnte erkennen, daß vorn im Wagen zwei saßen. Die Tür schlug krachend zu, so daß ich zusammenfuhr. Ich biß auf die Zähne, weil ich mit einem Schlag auf den Kopf rechnete.
    Ich saß auf der rechten Seite. Links von mir hörte ich Schritte, dann eine Stimme: »Alles klar, Kumpel, alles klar, Kumpel.«
    Dinger schrie auf, als er sich beim Einsteigen den Kopf stieß. Eine wunderbare Überraschung. Ich war auf der Stelle glücklich, ein schönes Gefühl, wieder
    zusammenzusein.
    Er wurde so hineinbugsiert, daß seine Knie gegen
    meine drückten.
    »Können Sie was für meine Hände tun?« fragte ich in die Dunkelheit hinein.
    Ich bekam einen Schlag auf den Hinterkopf, doch das war es wert. Jetzt wußte Dinger, daß ich da war, und ich hatte herausbekommen, daß hinten bei uns ein
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    Wachmann saß und daß mit diesen Leuten nicht zu
    spaßen war.
    Der Fahrer hörte sich nach einem Offizier an. »Du, nix reden. Wenn reden – bum, bum.«
    Schon kapiert.
    Bei jeder Bewegung versetzte uns der Wachmann zur
    Strafe einen Schlag, aber ich konnte nicht anders, als tief und laut zu atmen, weil mir die Hände so weh taten.
    Der Wagen stank wie üblich nach Zigaretten und
    Kölnischwasser. Ich überlegte. Dieser Transport
    bedeutete vermutlich das Ende der taktischen Phase. Wir wurden zur nächsten Station gebracht. Ich hatte keine Ahnung, ob es besser oder schlimmer werden würde. Der Optimist in mir sagte: Klar, jetzt komme ich ins
    Gefängnis. Der Profi in mir sagte: Abwarten. Du weißt nicht, was noch kommt.
    Ich versuchte, die Orientierung zu bewahren. Wir
    kamen aus dem Tor heraus und bogen nach links. Das hieß, wir fuhren nach Osten, nicht Westen, also ging es nicht in Richtung Syrien. Wäre ja auch absurd gewesen.
    Er fuhr wie ein Verrückter. Unter normalen Umständen wäre ein kleiner Zusammenstoß ganz praktisch gewesen, aber bei dem Tempo hätte keiner von uns einen Unfall überlebt.
    Ich habe einmal einen Film über den
    Entfesselungskünstler Houdini gesehen. Er hatte die Hände auf dem Rücken gefesselt und trat durch die Arme hindurch, um die Hände nach vorn zu bekommen. Ich
    fragte mich, ob ich trotz meiner Verletzungen dazu imstande wäre. Dann dachte ich: Du Spinner, so was hast 338
    du

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